Vieng Xay, Laos
Die Pathet Lao und der Weg aus der Höhle in die Freiheit

Vieng Xay, die Stadt des Sieges in Laos


30. Dezember 2018
Laos
1 Kommentar

Laosˈ Nordosten ist ein unwegsames Gebiet. Dschungelbewachsene Täler, zerfurchte Felsen, steile Klippen und hoch aufragende Berge machen die Grenzregion zu Vietnam beinahe unzugänglich. Hier leben seit Generationen Reisbauern und Hirten. Weit entfernt von der königlichen Hauptstadt Vientiane ist ihr Alltag für lange Zeit von Politik unberührt. Selbst die französischen Besatzer, die Laos 1893 in ihre Kolonie Indochina einschließen, interessieren sich wenig für diese Region. Doch das Blatt wendet sich. Indochina steht bald am Abgrund. Neue Machtinteressen formieren sich und die Weltpolitik wirft bedrohliche Schatten in das beschauliche Leben der Bauern.

Alles beginnt in Vietnam, wo sich bereits 1941 die Liga für die Unabhängigkeit Vietnams – kurz Việt Minh – unter Ho Chi Minh formiert. Fünf Jahre später herrscht Krieg gegen die im zweiten Weltkrieg geschwächte französische Kolonialmacht.

Zwei Lager stehen sich gegenüber. Die nordvietnamesische Việt Minh hofft auf die Errichtung eines unabhängigen, kommunistischen Staates. Ihre Anhänger kämpfen für die Freiheit. Frankreich dagegen führt den Krieg als müde Kolonialmacht – und verliert, trotz finanzieller Unterstützung und Waffenlieferungen aus den USA. Doch der Weg zur Unabhängigkeit ist für die Việt Minh noch weit.

In Genf werden 1954 zunächst die vorläufige Teilung Vietnams und die Durchführung zeitnaher Wahlen beschlossen. Doch damit können sich nicht alle Vertragspartner anfreunden. Besonders die USA fürchten eine Ausbreitung des Kommunismus und entsenden eigene Truppen ins neu gegründete Südvietnam.

Der dortige, mit den USA verbündete, Machthaber Đình Diệm, ein erklärter Anti-Kommunist, verhindert aus Furcht vor einem Sieg der Kommunisten die verabredeten Wahlen und liefert der Việt Minh Grund für einen Angriff auf den Süden. Wieder herrscht Krieg; diesmal unter Brüdern. Der kapitalistische Süden kämpft gegen den kommunistischen Norden. Mitte der 1950er Jahre wird Südostasien so zum Schauplatz der Machtansprüche zweier Gesellschaftssysteme, die über Jahrzehnte hinweg das 20. Jahrhundert prägen werden.

Karstfelsen, Vieng Xay, Laos
Karstfelsen im laotischen Dschungel

Tatsächlich kocht es am Südchinesischen Meer über die Grenzen Vietnams hinaus. Mit der Pathet Lao in Laos entsteht eine weitere nach Unabhängigkeit strebende, kommunistische Bewegung. Sie wird zur Verbündeten der Việt Minh und schon bald existieren die Grenzen zwischen Laos und Nordvietnam im dichten Dschungel Südostasiens nur noch als theoretischer Entwurf.

Die Việt Minh nutzt das bergige, kaum zugängliche Hinterland in Laos für ihre Zwecke. Unentdeckt wandern ihre Soldaten hier auf einem verzweigten Wege- und Versorgungssystem aus dem Norden Vietnams in die Kriegsgebiete des Südens. Später werden diese Wege als Ho Chi Minh Pfad weltbekannt sein.

Die USA, bereits stationiert in Südvietnam, wissen um die Schleichpfade im laotischen Nachbarland. Wollen sie die Việt Minh besiegen, müssen sie zuvor die Kontrolle über Laos, damals noch ein Königreich, erlangen. Also landen amerikanische Truppen – ungesehen von der Weltöffentlichkeit – auch im kleinen Binnenland. Hier führen sie einen Krieg, der offiziell gar nicht stattfindet.

Selbst die CIA mischt mit. Sie rekrutiert Männer aus dem in Laos ansässigen Bergvolk der Hmong für eine Geheimarmee. Außerdem unterhält sie, ganz diskret, ihre eigene Fluggesellschaft Air America. Offiziell setzt Air America als Transportunternehmen lediglich Hilfsgüter in Südostasien ab, doch die CIA befördert mit ihr Militär, Journalisten, Ärzte, Medikamente, Spione und Opium überall dorthin, wo sie selbst nicht gesehen werden möchte.

Doch damit nicht genug. Weil sich die USA im Kampf gegen den Kommunismus nicht anders zu helfen wissen, überzieht ihre Luftwaffe Laos ab 1964 mit einem intensiven Flächenbombardement. So sollen der kommunistischen Pathet Lao Einhalt geboten und zugleich die Versorgungspfade der Việt Minh zerstört werden.

Vieng Xay, Laos
einfache Behausungen in Vieng Xay

Die Anführer der Pathet Lao wiederrum suchen in der Provinz Houaphanh im Nordosten des Landes Zuflucht vor dem amerikanischen Bombenteppich. Nahe der nordvietnamesischen Grenze errichten sie ihr Basislager im Schutz der Karstfelsen. Jahre später werden sie ihr Versteck Vieng Xay nennen, die Stadt des Sieges. Bis dahin ist es die verborgene Stadt, versteckt in den Höhlen im Fels.

Vieng Xay – die verborgene Stadt im Karst

In einem fruchtbaren, von steilen Karstfelsen gerahmten Tal richtet sich die Pathet Lao ein, um den vernichtenden Bomben der US-amerikanischen Luftwaffe zu entgehen. Durchzogen von Höhlen, deren Eingänge im dichten Wald nur schwer auszumachen sind, bieten die Felsen ein ideales Versteck. Hier entsteht das militärische Hauptquartier der Pathet Lao. Das Politbüro um Kaysone Phomvihane organisiert von hier ihren Kampf gegen die Koalition aus der königlich-laotischen Armee, den geheim ausgebildeten Hmong-Kämpfern und den US-amerikanischen Truppen.

Heute ist Vieng Xay, die Geburtsstätte der Volksrepublik Laos, ein verschlafenes kleines Städtchen. Hoch aufragende Bambusstängel wippen im lauen Wind. Frauen schwatzen auf dem Markt und Motorräder knattern über staubige, von Agaven gesäumte Straßen. Es ist nicht viel los in diesem Tal, durchzogen von wild bewachsenen Karstfelsen, idyllischen Seen und Reisfeldern. Dennoch: Hier beginnt die Geschichte der heutigen Nation.

Träge drückt die Mittagshitze. Im heißen Flimmern des Tages ist es kaum vorstellbar welche Schrecken die Region erleiden musste. Doch dann fällt unser Blick mitten im Ort auf einen Bombenkrater. Nicht mehr als eine Spur des konstanten Bombardements, der Angst, der Not, des Todes – nicht mehr als eine Spur, die von einem neun Jahre langen Leben im Verborgenen erzählt.

Vieng Xay, Laos
Vieng Xay liegt idyllisch zwischen wild bewachsenen Karstfelsen

Je länger wir uns in Vieng Xay umsehen, desto deutlicher kriecht die dunkle Vergangenheit hervor, wirft grausige Schatten einer unheilvollen Episode in die liebliche Gegend. Die einst verborgene Stadt, das Hauptquartier der laotischen Kommunisten, ist ein Netzwerk aus Höhlen in den zahlreichen Karstfelsen. Aus der Luft kaum angreifbar bieten sie während des Krieges der Pathet Lao und über 20.000 Bewohnern aus den nahen Tälern Zuflucht.

Doch so geeignet die Bedingungen scheinen, so schwierig ist das Leben zu dieser Zeit. Entsetzen erfasst die Menschen am Boden, wenn sie wieder eines der dröhnenden Flugzeuge am Himmel erblicken. Bauern verlassen eilig ihre Felder, verstecken sich mit ihren Familien tief im Wald, fliehen in die Höhlen im Fels. Dann schlagen die Bomben ein, lassen die Erde beben, knicken Bäume wie Streichhölzer, verwüsten Felder, zerreißen und verstümmeln Mensch und Tier, töten wahllos. Die Menschen am Boden sind ratlos. „Wer macht so etwas?“, fragen sie. „Die Amerikaner“, lautet die knappe Antwort der Pathet Lao; doch von Amerika haben die Bauern noch nie gehört.

Packliste

Packliste

Unsere Ausrüstung muss einiges aushalten. Seit über 7,5 Jahren sind wir dauerhaft unterwegs und strapazieren unser Hab und Gut im täglichen Einsatz. Einiges hat bei uns nur kurze Zeit überlebt, doch anderes bewährt sich mittlerweile seit Jahren und wir sind von der Qualität überzeugt. Unsere Empfehlungen könnt ihr hier nachlesen.

Leben in den Höhlen

Das Bombardement nimmt kein Ende. In neun Jahren treffen von 1964 bis 1973 mehr Bomben auf Laos als auf Deutschland und Japan im zweiten Weltkrieg zusammen. Über zwei Millionen Tonnen Bomben werden in gut 530.000 Fliegerangriffen auf das kleine Land abgeworfen. Das entspricht etwa 2,5 Tonnen Sprengkörper pro Einwohner. Damit gilt Laos als eines der am stärksten bombardierten Länder der Erde.

Auch in der Provinz Houaphan vergeht kein Tag, in dem nicht irgendwo der Tod vom Himmel fällt. Und so verschwinden die Menschen. Sie ziehen sich zurück in die Höhlen, die mühselig mit Hammer, Meißel und Dynamit vergrößert werden. Das Leben findet nun vollständig im Verborgenen statt.

Karstfelsen, Vieng Xay, Laos
poröses Karstgestein erhebt sich in Vieng Xay

Um zu überleben wechseln die Menschen ihren Rhythmus. Sie schlafen am Tag, während sie im Schutz der Dämmerung ihre Felder bestellen und Büffel auf die Weiden treiben. Das Politbüro gibt ihnen Regeln an die Hand. Um im Wald und auf den Äckern nicht entdeckt zu werden, dürfen die Bauern nur dunkle Kleidung tragen. Hühner und Enten mit hellem Gefieder müssen geschlachtet werden. Zu verräterisch wären die hellen Punkte aus der Vogelperspektive der US-amerikanischen Piloten.

Auch die politische Elite der Unabhängigkeitsbewegung lebt und arbeitet in den Höhlen. Zu ihr gehören der „rote Prinz“ Souphanouvong, die späteren Präsidenten Nouhak Phoumsavanh und Khamtay Siphandone sowie der spätere Premierminister und Präsident Kaysone Phomvihane. Unter Tage beziehen sie Schlafräume, Bibliotheken und Konferenzzimmer.

Neben den Wohn- und Arbeitshöhlen für die politische Führung der Pathet Lao wird auch alles andere untertage eingerichtet. Da gibt es eine Bäckerei, eine Druckerei für Flugblätter, ein Krankenhaus, eine Bank, eine Radiostation, Werkstätten, Schulen, Höhlen für ausländische Gäste und Delegierte aus Russland, Nordkorea, Vietnam und China, Zellen für gefangene Soldaten und sogar ein Theater, das zur Unterhaltung und als Kaserne für die eigenen Soldaten dient. Vorrats- und Waffenkammern werden bestückt.

Vieng Xay, Laos
versteckter Eingang zur Höhle
Vieng Xay, Laos
künstlich erweiterte Nischen dienten in der Krankenhaushöhle als Behandlungszimmer
Vieng Xay, Laos
Theaterhöhle und Kaserne, überschwemmt nach starken Regenfällen

Durch die ständig niedergehenden Bomben ist die Pathet Lao oft von externer Versorgung abgeschnitten. Natürlich reichen die Vorräte kaum. Rationen sind knapp bemessen und es bedarf immer wieder der Unterstützung aus dem nahen Vietnam und durch die Alliierten aus Russland und China. Je länger der Krieg dauert, umso dürftiger leben die Anhänger der Pathet Lao unter ihrem Anführer Kaysone Phomvihane.

Kaysone, der Anführer in der Höhle

Gleich die erste Höhle, die, die dem Zentrum des heutigen Vieng Xays am nächsten liegt, war Unterschlupf und Arbeitsplatz von Kaysone Phomvihane – damals ein politisches Schwergewicht und einer von sieben, die die kommunistischen Kräfte in Laos bündeln. Er zieht mit seinem Stab in den Fels, der zuvor von einheimischen Bauern mit Muskelkraft und Schweiß, mit Meißel, Sprengstoff und Zement bearbeitet wird. Phomvihanes Höhle bietet das anschaulichste Zeugnis über das Leben untertage.

Hung führt uns durch die einfachen Gemächer. Er kennt die Geschichten rund um das Politbüro, die amerikanischen Bomben und den Sieg der Kommunisten. Sein Großvater war bereits hier, lebte als einfacher Soldat während des Krieges in den Höhlen. Hung selbst arbeitet heute für das Tourismusbüro in Vieng Xay, das einige der Höhlen für die Öffentlichkeit zugänglich macht. Pathetisch und mit der nötigen Propaganda geschmückt berichten er und ein Audioguide uns über den Alltag im Fels.

Geräumig aber bescheiden, feucht und dunkel ist die Höhle Phomvihanes. Buchstäblich viel Platz gilt der politischen Arbeit, auch das Esszimmer besticht mit seiner Größe. Einige verputzte Innenwände trennen die Höhle in mehrere Abschnitte, geben ihr die dumpfe, kalte Atmosphäre eines Bunkers.

Vieng Xay, Laos
Eingang zur Höhle von Kaysone Pomvihane
Vieng Xay, Laos
Badezimmer im Karstfelsen
Vieng Xay, Laos
Arbeitszimmer Kaysone Pomvihanes während des Krieges

Für das Behagliche, das Private findet sich in Zeiten des Krieges wenig Raum. Die Schlafzimmer sind nichts weiter als spärliche, mit dünnen Holzwänden abgetrennte Zellen. Einfache, schmucklose Bettgestelle befinden sich darin. Hellhörig ist es. Unsere Schritte hallen über den steinernen Boden. Von den Decken tropft Wasser aus dem Fels. Glühlampen flackern. Diffuses Licht liegt im Streit mit der Dunkelheit. Während des Krieges leben etwa 20 Personen hier: die engsten Familienmitglieder Phomvihanes, mehrere Leibwächter, ein Koch, ein Fahrer, Sekretäre.

Wie ein Gefängnis wirkt das Arbeitszimmer. Ein stabiler Holztisch vor einer weiß getünchten Mauer. Weit darüber eine schmale Öffnung. Sie liegt auf gleicher Ebene mit dem Erdboden auf der anderen Seite. Gitterstäbe behindern die Sicht nach draußen. Nur wenig Tageslicht fällt herein. Hier überlebt die kommunistische Idee den Bombenterror.

Vom Gesims an der Mauer unterhalb der Öffnung starrt eine Leninbüste mit eisernem Blick in den Raum. Daneben steht eine Petroleumlampe. Es heißt Phomvihane sei ein begeisterter und sprachbegabter Leser gewesen. Sozialistische und kommunistische Werke liest er auf Französisch, Russisch, Vietnamesisch. Lenin – dessen Bücher auch heute noch auf dem Schreibtisch in der Höhle liegen – ist nur einer von vielen, die er für ihre politischen Ideale verehrt. Ho Chi Minh ist ein anderer.

Vieng Xay, Laos
Lenins starrer Blick auf dem Gesims
Vieng Xay, Laos
Verbindungstunnel im Karstgestein
Vieng Xay, Laos
Konferenzzimmer des Politbüros der Pathet Lao

Phomvihane, entsprungen aus einer laotisch-vietnamesischen Liebesbeziehung, geht schon als Jugendlicher nach Vietnam, das Heimatland seines Vaters. Dort lernt er die Kommunistische Partei und Ho Chi Minh persönlich kennen. Zurück in Laos engagiert sich Phomvihane ab 1945 für die Pathet Lao im Widerstandskampf. Zunächst gegen die französischen und später die laotisch-royalen und US-imperialistischen Truppen. Er kämpft mit Leidenschaft und Überzeugung und nimmt dafür auch das Leben in einer Höhle und die ständige Gefahr der niedergehenden Bomben in Kauf.

Neben dem Arbeitszimmer befindet sich der Konferenzraum: An einer Tafel tagten hier die sieben politischen Führer der Pathet Lao. Das Politbüro ist ein Klüngel; Freundschaft, politischer Wille und der Ausnahmezustand des Krieges verbindet sie. Die Männer planen militärische Aktionen, rationieren die knappen Lebensmittel, beraten finanzielle Hilfegesuche an die kommunistischen Brüder in China und der Sowjetunion, organisieren ideologische Schulungen. Die politische Weltkarte des Kalten Krieges hängt abgegriffen bis heute an der Wand.

Die Besprechungen dauern oft Stunden. Ist es zu spät oder zu gefährlich, weil gerade einmal wieder amerikanische Bomben in den Fels einige Meter über der Höhle einschlagen, steht ein Gästezimmer bereit. Sechs Betten in einer Reihe mit dem Charme einer Jugendherberge – allerhöchstens funktional.

Wenn die Bomben der Höhle zu nahe kommen, wenn der Boden bebt und die Wände zittern, flieht Phomvihane mit seiner Familie in einen integrierten Bunker. Verstärkte Betonwände und eine eiserne Tür sollen die Lebenden schützen. Eine sowjetische Sauerstoffpumpe, die noch heute funktioniert, sorgt dafür, dass der Bunker nicht zur Falle wird.

Vieng Xay, Laos
Höhleneingang im Karstfelsen
Vieng Xay, Laos
Eingang zum verstärkten Bunker
Vieng Xay, Laos
Esszimmer in der Höhle Pomvihanes

Wie Phomvihane leben auch die übrigen Spitzen des Politbüros. Ihre Höhlen liegen nur wenige Kilometer auseinander. Neun Jahre eingesperrt im Fels. Neun Jahre mit US-amerikanischen Bomben als Türsteher.

Vieng Xay – die Stadt des Sieges

Im Jahr 1973 bleibt es am Himmel plötzlich stumm. Seit neun Jahren ist es das erste Mal, dass sich kein einziges Flugzeug unter den Wolken bewegt. Waffenruhe! Weit entfernt regelt das Pariser Abkommen das Ende des Vietnamkrieges – und aller damit verbundenen Kampfhandlungen. Die US-Amerikaner verlassen nicht nur Vietnam, sondern auch den geheimen Nebenkriegsschauplatz Laos so rasch, wie sie einst auftauchten. Erst lange nach dem Ende des Vietnamkrieges wird der Militäreinsatz der USA in Laos, der Schätzungen zufolge etwa 200.000 Menschenleben kostete, publik.

Die Anführer der Pathet Lao kommen aus ihren Höhlen, bauen Häuser vor die Eingänge ihrer Verstecke, beginnen ein erneutes Leben unter der Sonne. Vieng Xay, die Stadt des Sieges, wird zu ihrer offiziellen Hauptstadt. Von hier planen sie die letzten Schlachten gegen die königlich-laotischen Truppen und die Hmong-Soldaten.

Vieng Xay, Laos
Neubau vor der Höhle des „roten Prinzen“ Souphanouvong

Zwei weitere Jahre kämpft die Pathet Lao, bis sie die vollständige Kontrolle über Laos erringt. Vor allem die Hmong werden in dieser Zeit für die Zusammenarbeit mit den USA verfolgt, getötet oder ins Exil vertrieben. Am 2. Dezember 1975 erklärt das Politbüro das Land zur Volksrepublik und verlegt ihre Hauptstadt nach Vientiane.

Phomvihane wird zum ersten Premierminister und ab 1991 bis zu seinem Tod im darauffolgenden Jahr Präsident der Demokratischen Volksrepublik Laos. Die Führungsriege der Pathet Lao bleibt zusammen, übernimmt auch im unabhängigen Laos politische Verantwortung. Sie lassen sich zu Staats- und Ministerpräsidenten ernennen, folgen einander in die ranghöchsten Ämter. Der ideologische Einfluss Ho Chi Minhs, der Einfluss der vietnamesischen Kommunisten, bleibt bis in die Gegenwart erhalten.

Laos und die Narben des Krieges

Seit 45 Jahren nun herrscht Frieden in Vieng Xay. Bomben fallen nicht mehr und allmählich entwickelt sich in der Stadt des Sieges der Tourismus. Sieben Höhlen der Pathet Lao sind bereits öffentlich zugänglich, weitere sollen folgen. Zusammen mit den Tunneln von Củ Chi in Vietnam und den Killing Fields in Kambodscha gehören die Höhlen von Vieng Xay zu einer Reihe von Schauplätzen, die das unvorstellbare Leid porträtieren, das in mehreren aufeinanderfolgenden Kriegen über Südostasien hereinbrach.

Die Auswüchse des Vietnamkrieges haben Laos stark gezeichnet. Die täglichen Angriffe der amerikanischen Bomber haben das Land vernarbt. Noch heute, Jahrzehnte nach dem Krieg, liegen fast überall in Zentrallaos und auch um Vieng Xay Blindgänger im Boden. Besonders dramatisch sind die Folgen der seit 2008 international verbotenen Streubomben. Abgeworfen öffneten sich die Trägerbomben im freien Fall und gaben bis zu 680 tennisballgroße Minibomben frei, die auf ein weites Gebiet herabregneten. Doch ein Drittel dieser Sprengsätze explodierten nicht. Etwa 80 Millionen Minibomben bleiben als Blindgänger am Boden zurück.

Vieng Xay, Laos
getarnt im grün bewachsenen Karst liegen die Höhlen von Vieng Xay
Vieng Xay, Laos
im Obstgarten des „roten Prinzen“

Bis heute sind viele dieser Blindgänger noch immer scharf. Versteckt im Erdreich lauern sie als stille Gefahr auf den Feldern, unter Häusern, auf Spielplätzen. Eine unvorsichtige Bewegung, ein falscher Schritt und sie explodieren. Bis heute wird in Laos durchschnittlich an jedem Tag eine Person durch US-amerikanische Blindgänger verletzt oder getötet. Rund 50.000 Opfer sind bisher gezählt und noch immer befindet sich eine enorme Menge unentdeckter Blindgänger in der Erde. Bergungsorganisationen vor Ort schätzen, dass ihre Arbeit voraussichtlich weitere 20 Jahre in Anspruch nehmen wird.

Auch wirtschaftlich leidet Laos an den Folgen des Bombardements. Die vielen Blindgänger blockieren die Nutzung weiter Flächen. Sie verhindern effektive Landwirtschaft und tragen Mitschuld an der schlechten infrastrukturellen Entwicklung des Landes.

Nicht nur in Vieng Xay, sondern überall dort, wo die Bomben auf Laos niedergingen, hinterlassen sie bis heute Spuren. Seit 45 Jahren leben die Menschen mit den Blindgängern und integrieren ihre entschärften Überreste auf einfallsreiche Weise in den Alltag. Die schweren Metallhüllen der Streubomben dienen als Stelzen für Häuser oder Blumenkästen. Aus den Aluminiummänteln der Bomben formen ein paar Kreative Schlüsselanhänger und andere kleine Souvenirs, die sie an Touristen verkaufen.

In Laos arrangieren sich die Menschen mit dem, was die US-Amerikaner hier zurückließen. Das fällt nicht immer leicht und gerade die Älteren spüren noch immer eine tiefe Verachtung für jene, die kamen um ihr Land zu zerstören. Anders als in Vietnam haben die Menschen in Laos nicht vergeben.

Vieng Xay, Laos
Vieng Xay, die Stadt des Sieges

Mitten in Vieng Xai steht deshalb, wie zum Spott, eine überlebensgroße, vergoldete Statue. Sie zeigt die gesellschaftlichen Stützen des Kommunismus – Bäuerin, Arbeiter und Soldat – in jubelnder Pose. Unter ihnen liegt eine Bombe auf der die drei Buchstaben U-S-A zu lesen sind. Nach neun langen, leidvollen Jahren triumphieren sie doch über die Gefahr, über den Feind. Die Stadt des Sieges gilt der kommunistischen Regierung bis heute als Symbol: Der Widerstand war nicht vergeblich. Sie haben gesiegt.

Wenn dir dieser Artikel gefallen hat und du gerne mit uns auf Reisen gehst, dann unterstütze uns doch mit einem kleinen Trinkgeld. Spendiere uns ein Käffchen, Schokoladenkuchen oder ein anständiges Rambazamba – alles ist möglich.


Und jetzt du!

Um uns vor Spam zu schützen, bitten wir dich die markierten Felder auszufüllen. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.