Machu Picchu, Peru, Titel
Ein Gipfelsturm auf die heilige Stadt der Inkas

Machu Picchu


28. August 2021
Peru
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Nach vier anstrengenden Tagen auf dem Salkantay Trek, der uns bis nach Aguas Calientes an den Fuß der berühmtesten Inkaruine führt, heißt es nun endlich: Gipfelsturm auf Machu Picchu.

Machu Picchu, Peru

Tag 5: Aguas Calientes (2090 m) – Machu Picchu (2400 m) – Machu Picchu Mountain (3051 m)

Dieser völlig verdrehte Tag startet vier Uhr morgens in Aguas Calientes. Es muss so früh sein, denn bereits zwei Stunden später öffnen die Tore Machu Picchus. Gut 300 Höhenmeter trennen uns von den Ruinen und wir bewegen uns im vorgegebenen Takt. Der steile Weg durch dichten Dschungel hinauf zur alten Inkastadt ist ab fünf Uhr für den Ansturm freigegeben und wer nicht rechtzeitig da ist, verpasst am Ende die Magie des Augenblicks.

Zwanzig Minuten vor fünf Uhr befinden wir uns vor einem riesigen Metallschild. Es heißt uns herzlich willkommen und beglückwünscht uns dazu, am Fuß von Machu Picchu zu stehen. Drei Kekse und ein Apfel sind unser viel zu frühes Frühstück. Das Verrückte: Wir sind nicht alleine. Etwa 50 Personen versammeln sich in kleinen Gruppen vor einem Häuschen, in dem die wichtigste Person des Tages sitzt. Im Augenblick bereitet sie sich darauf vor, das Eisentor zu öffnen, das gerade noch den Weg nach oben versperrt.

Immer mehr Menschen strömen aus dem Dunkel in den Schein des Lichtes, das das Willkommensschild beleuchtet. Über uns im Wald quietscht und rattert ein Zug. Die erste Fahrt des Tages beginnt. Zehn Minuten vor fünf Uhr bilden ein paar Übereifrige eine Schlange, wenige Zentimeter vor dem noch verschlossenen Tor. Sie wächst in kurzer Zeit auf erstaunliche Länge heran, denn jeder hofft auf einen guten Start in diesem Wettlauf auf Machu Picchu. Ich fühle mich direkt gestresst. Ständig gucken die Wartenden ungeduldig auf ihre Armbanduhren. Sie sind hoch motiviert; vielleicht ein bisschen übermotiviert. Entspannte Atmosphäre geht anders und ich frage mich, welche Szenen wir erleben werden, sobald das Tor vor uns aufspringt.

Doch als es endlich so weit ist, bleibt die gesittete Reihenfolge in der Schlange auf angenehme Art erhalten. Kein Geschubse oder Gedränge, kein Vordrängeln. Es gibt keinen Grund zur Panik. Der Weg nach oben wird entscheiden. Er trennt die Stärkeren von den Schwächeren.

Langsam schreiten wir im Entenmarsch voran. Stufe um Stufe geht es bergauf. Kontinuierlich Schritt für Schritt durch den Dschungel. Schon bald lichtet sich die enge Reihe. Die ersten schweren Atempausen zwingen die einen und anderen an den Rand. Schweiß tritt aus den Poren. Es ist noch immer Dunkel, aber die hohe Luftfeuchtigkeit im Wald macht allen zu schaffen. Fast eine Stunde lang steigen wir hinauf, folgen Stufen und Biegungen, bleiben nicht stehen, auch wenn die Beine immer schwerer werden.

Einige beginnen zu tricksen und machen nach jedem Schritt eine klitzekleine Pause, atmen vor der nächsten Bewegung. Sie wollen ihren Platz in der Reihe nicht opfern, haben aber auch keine Kraft schrittzuhalten. Sie quälen sich und Machu Picchu treibt sie an. Aber auch sie werden bald an die Seite treten. Es ist keine leichtfertige Entscheidung. Niemand möchte in der Reihe nach hinten rutschen und wer dennoch stehen bleibt, ist bis zum Äußersten gegangen.

Nach 45 Minuten endet unser vorläufiger Aufstieg. Schweißgebadet erreichen wir nach 300 Höhenmetern über die steinerne, steile und unebene Treppe die Eingangstore Machu Picchus und stehen direkt in der nächsten Schlange. Vor uns harren bereits zwanzig Menschen, aufgefädelt an einer imaginären Schnur aus. Unglaublich, in welchem Tempo sie es bis hierher geschafft haben. Der Ehrgeiz steckt alle an.

Machu Picchu, Peru

Die Magie des ersten Augenblickes

Es ist kurz vor sechs Uhr, die Schlange hinter uns ist bis ins Unermessliche gewachsen. Die ersten Busse aus Aguas Calientes bringen Menschen, die sich den anstrengenden Aufstieg ersparen wollten. Kann man machen, muss man nicht, denn bereits drei Uhr morgens standen sie in der Warteschlange, um für eine wenige Minuten dauernde Fahrt völlig überzogene 10 US-Dollar zu bezahlen.

Die Tore öffnen sich und mit ein bisschen Aufregung im Bauch schreiten wir hindurch. Wir erwarten den Wow-Effekt und erkennen noch nichts. Dann biegen wir um eine erste Kurve, um einen zweite und plötzlich liegt sie vor unseren Augen, die sagenumwobene Stadt der Inkas. Machu Picchu, noch im Halbdunkel und menschenleer. Unsere ersten Schritte sind zögerlich, denn wir sind vom Anblick überwältigt. Allmählich steigt die Sonne über die nahen Bergrücken und taucht die Ruinen in weiches Licht. Nebelschleier lösen sich träge auf. Wir betrachten eine Szene, die beeindruckender als jedes Foto ist. Das wir vor wenigen Tagen noch kurz davor waren, auf dieses Spektakel zu verzichten, kommt mir plötzlich völlig albern vor. Wir hatten Angst vor riesigen Touristenströmen, die jedes halbwegs brauchbare Erlebnis zunichtemachen würden. Aber das hier vor uns ist unbeschreiblich. Selbst mit Hunderten mehr oder weniger rücksichtsvollen Touristen im Rücken.

Machu Picchu, Peru
Machu Picchu, Peru

Nach einem zweistündigen Rundgang durch die Ruinen wollen wir den Machu Picchu Mountain (3051 m) besteigen. Es ist der Gipfel des Berges, auf dem sich Machu Picchu befindet. Im Gegensatz zum kleineren Berg Huayna Picchu (2700 m), der täglich von lediglich 400 Menschen bestiegen werden darf, wirkt Machu Picchu Mountain offenbar weniger anziehend. Kaum ein Besucher besteigt den Gipfel, der sich majestätisch hoch über den Ruinen erhebt. Wir werden bald herausfinden, warum.

Noch bevor wir das Wachhäuschen am Aufstieg erreichen und uns dort in eine Liste eintragen, sind wir uns nicht sicher, ob wir die bevorstehenden 650 vertikalen Meter schaffen werden. Die letzten vier Tage auf dem Salkantay Trek und der bereits hinter uns liegende 300 Meter hohe Aufstieg haben geschlaucht. Wir sind außer Atem und kraftlos. Bereits nach den ersten steilen Stufen sacken wir auf den Boden. Wir gönnen uns ein verbotenes Frühstück, denn Essen ist in der gesamten Ruinen-Anlage untersagt. Aber auch nach der Nahrungsaufnahme wird die Sache nicht einfacher.

Machu Picchu, Peru
Machu Picchu, Peru
Machu Picchu, Peru

Machu Picchu Mountain

Immer wieder, oft schon nach wenigen Stufen, nach wenigen Metern, bleiben wir erschöpft stehen. Um uns zu motivieren, setzen wir uns kleine Ziele: „Die nächste Pause machen wir erst bei dem Baum da vorne“ oder „…erst nach der Kurve“. Die Stufen werden immer steiler. Menschen kommen uns entgegen, die den Aufstieg bereits hinter sich haben. „Ich war selbst am Ende. Aber gebt nicht auf. Es lohnt sich“, sagt einer von ihnen. Ein anderer ergänzt: „Es wird immer steiler und steiler. Am Ende macht ihr nach jeder dritten Stufe eine Pause“. Alle sind sich einig, dass das Schlimmste noch vor uns liegt.

Nach einer Stunde Quälerei ist noch kein Ende in Sicht. Immer wieder blicken wir auf eine neue Kurve, die uns von der Spitze trennt. Unzählige Male. Die zerbröckelten, schmalen Stufen führen nicht nur unangenehm steil hinauf, sondern auch ungeschützt am Abhang entlang. Ein falscher Schritt, ein kurzer Schwindel und zack, Absturz in die Tiefe auf direktem Weg zurück nach Machu Picchu. Den letzten Abschnitt schieben wir uns beinahe auf allen vieren an der Felswand entlang. Der Blick über den Stufenrand ist nichts für schwache Nerven.

Machu Picchu, Peru
Machu Picchu, Peru
Machu Picchu, Peru

Endlich erreichen wir den Gipfel und schauen in die vernebelte Bergwelt. Plötzlich erscheint es gar nicht so ungewöhnlich, dass Machu Picchu nie von den Kolonisatoren entdeckt wurde. Wie sollte das auch gelingen in diesem endlosen, grün bewachsenen Auf und Ab. Weit unter uns wirken die Ruinen fast unscheinbar. Jede Menge bunte Pünktchen wuseln durch die Anlage. Täglich besuchen 2000 Menschen die Ruinen von Machu Picchu. Nun scheinen sie alle angekommen zu sein.

Wir sitzen weit über dem Getümmel und schauen in die Ferne. Eine Handvoll adrenalingeschwängerte Bezwinger des Berges berichten uns euphorisch, wie hart der Aufstieg für sie war. Als ob wir es nicht selbst erlebt hätten. Beim ebenso schwierigen Abstieg versuche ich die uns entgegenkommenden, keuchenden und schwitzenden Menschen nicht merken zu lassen, dass noch einige Qualen auf sie zukommen werden.

Zurück in den Ruinen von Machu Picchu suchen wir uns einen ruhigen Platz und beobachten für ein paar Stunden das Treiben in der Anlage. Die Massen verschwinden wieder. Einheimische Touristen kommen in den späten Nachmittagsstunden. Zwei Lamas grasen seelenruhig zwischen den Ruinen. Am Ende dieses Tages werden wir 1000 Höhenmeter treppauf und ebenso viele treppab gelaufen sein. Noch liegt ein Abstieg von 300 Metern bis nach Aguas Calientes vor uns, wo wir am Ende unserer Kräfte die Rückfahrt nach Cusco antreten werden.

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Machu Picchu, Peru
Machu Picchu, Peru
Machu Picchu, Peru
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