Cuenca, Ecuador, Titel
Unterwegs in Ecuador

Cuenca und der Panamahut


20. März 2021
Ecuador
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Wenn wir per Anhalter weite Wege zurücklegen wollen, hoffen wir auf Fahrer, die ebenfalls lange unterwegs sein werden. Haben wir jemanden gefunden, springen wir zu ihm ins Auto. Diese Taktik ist bewährt, denn häufiges Umsteigen kostet viel Zeit. Andererseits bringen wir uns damit selbst immer wieder in Situationen. Mit einem Fremden durch die Nacht zu fahren, kann gruselig klingen. Wir fürchten uns allerdings mehr davor, irgendwo in der Nacht zu stranden und nicht mehr weiterzukommen.

Doch genauso startet unsere Reise durch Ecuador. Aus Peru kommend passieren wir kurz vor Sonnenaufgang die Grenze. Unsere ersten Schritte auf ecuadorianischem Boden verschwinden in der Dunkelheit. Im ersten 24-Stunden-Shop harren wir bis zum Tagesanbruch aus. Niemand ist unterwegs. Dunkle Wolken hängen im schummrigen Licht unter dem Himmel. Die Landeswährung ist der US-Dollar und es wirkt ein bisschen merkwürdig, die Weltwährung mitten in der südamerikanischen Provinz in der Hosentasche zu wissen. In der Dämmerung zeichnen sich grüne Hügel entlang der Straße ab. Nach Tausenden wüsten Kilometern durch Nordchile und entlang Perus gesamter Küste hüpfen unsere Herzen beim Anblick des lange vermissten tropischen Grünes.

Wassertropfen fallen aus den Wolken. Im Nieselregen halten wir den Daumen raus, bis ein Kombi hält. Plauschend fahren wir durch den regnerischen Morgen. Als immer mehr Leute einsteigen und irgendwann Menschen auf den schmalen Holzbänken im Kofferraum Platz nehmen, dämmert uns, dass wir versehentlich in einem Sammeltaxi gelandet sind.

Knapp 200 Kilometer vor Cuenca, unserem ersten Ziel in Ecuador, passieren wir Saraguro, einen kleinen Ort im südlichen Hochland des Andenstaates. Während wir ganz unbedarft am nicht vorhandenen Seitenstreifen Ausschau nach einer Mitfahrgelegenheit halten, werden wir von der traditionell gekleideten indigenen Bevölkerung neugierig beäugt. Manche lächeln uns ebenso schüchtern an, wie wir zurücklächeln. Andere ignorieren uns stoisch. Die Männer der hier lebenden indigenen Gruppe Saraguro flechten ihr langes schwarzes Haar zu Zöpfen, tragen einen langen schwarzen Poncho und schwarze knielange Hosen. Die Frauen hüllen sich in einen weiten schwarzen Rock und tragen einen weißen Hut mit breiter Krempe. Stolz wirken sie, eigenständig, ihrer Selbst bewusst, ungerührt vom Weltenwandel. Fast schon bizarr ist der Gedanke, dass auch sie seit einigen Jahren mit dem US-Dollar hantieren. Es kommt mir vor, als würde die fremde Währung gleichzeitig all das Schlechte in ihr Leben bringen. So wie ein Kolonisator, der kommt, um anderen die eigene Wirklichkeit überzustülpen. Vielleicht sind aber auch nur meine Gedanken kolonial, denn warum sollte ich das Zahlungsmittel der Saraguro bewerten.

Obwohl auf der engen Bergstraße kaum Verkehr herrscht, werden wir bald von einem klapprigen Lkw mitgenommen. Da im Fahrerhaus kein Platz ist, verfrachtet uns der Fahrer auf die geschlossene, dunkle Ladefläche. Nur langsam und ruckelnd geht es auf der kurvigen Straße voran und so werden wir mit unserem Gepäck eine gefühlte Ewigkeit durch den leeren Laderaum geschleudert.

Cuenca, Stadtpanorama, Ecuador
Cuenca liegt in einem Tal im südlichen Hochland Ecuadors
Blick auf das Zentrum von Cuenca, Ecuador
koloniales Gebäude, Cuenca, Ecuador

Cuenca, die Unaufgeregte

Wir tuckern dahin; immer weiter blind durch ein unbekanntes Land. Nach geraumer Zeit kriechen leichte Sorgen in unsere Köpfe. Müssten wir nicht schon längst angekommen sein? Durch einen kleinen Spalt über der Verladetür versuchen wir uns zu orientieren. Das ist gar nicht so einfach, denn auf der buckligen Straße können wir kaum gerade stehen. Es gelingt uns nicht, einen klaren Blick auf die Umgebung einzufangen. Unsere Gedanken wandern ein paar Dutzend Zentimeter tiefer und lösen mulmige Gefühle aus. Doch kurz bevor wir davon überzeugt sind, dass die beiden jungen Männer im Fahrerhaus gemeinsam mit uns das Weite suchen, bleibt der Lkw stehen. Die Ladefläche wird geöffnet und die beiden winken uns freudig hinaus in die Gasse.

Cuenca ist die drittgrößte Stadt Ecuadors und hat etwa so viele Einwohner wie Bonn. Bunte, koloniale Gebäude säumen die schlichten, kopfsteingepflasterten Straßen. Cuenca wirkt sympathisch unprätentiös und gelassen. Schon nach dem ersten Streifzug erscheint mir die hübsche Stadt der perfekte Einstieg für die Erkundung des Landes. Die zum Großteil indigene Bevölkerung lässt es ruhig angehen. Die herrlichen Plätze mit den großen schattenspendenden Bäumen und den vielen Bänken überreden nicht nur die Einheimischen zum Plausch. Sie sind die Oasen der Stadt, in denen Blicke und Gedanken schweifen können.

Straße in Cuenca, Ecuador
Cuenca, Ecuador
Catedral de la Inmaculada Concepción, Cuenca, Ecuador
in der Catedral de la Inmaculada Concepción finden 10.000 Gläubige Platz
Parque Calderón, Cuenca, Ecuador
der Parque Calderón bietet rund um die Uhr Pausen an

Hier bummeln Menschen über den Kunsthandwerksmarkt und knabbern Kleinigkeiten an einem der vielen Straßenstände. Sie nehmen auf dem Blumenmarkt den Duft frischer Blüten in sich auf oder machen es wie wir und spazieren mit großen Augen an den schier gigantischen Bergen aus Süßigkeiten, Keksen und Schokolade vorbei, für die Cuenca bekannt ist.

Die Stadt ist im besten Sinn unaufgeregt. Sie lässt uns schlendern, nimmt die Geschwindigkeit aus unseren Bewegungen. Eine Gruppe junger Mädchen in Schuluniform huscht kichernd über einen Kirchenplatz. Sie laufen an einer alten Frau vorbei, die ihre grauen Haare zu einem langen Zopf geflochten hat. In einen weiten Rock gekleidet, betrachtet sie die Marien-Statuen, die vor der Kirche verkauft werden. Nur ein paar Straßen weiter fließt der Fluss Tomebamba gemächlich durch das grüne Tal und die Stadt.

Süßigkeitenmarkt in Cuenca, Ecuador
Blumenmarkt in Cuenca, Ecuador

Der Panamahut aus Ecuador

Auf unseren Spaziergängen kommen wir immer wieder an eleganten Hutgeschäften vorbei. Weiß gebleicht liegen Kopfbedeckungen in den Schaufenstern, die in der Welt als Panamahüte berühmt wurden, aber eigentlich aus Ecuador stammen. Cuenca ist eine der ältesten Produktionsstätte des Hutes. Seit 1630 wird der bekannte Strohhut hergestellt und Cuenca zählt bis heute zu einem der drei Manufaktur-Zentren für die Kunst dieser besonderen Hutmacherei.

Der Hut aus feinem Toquilla-Stroh enthält durch viel Feuchtigkeit, Wärme und Druck in speziellen Pressmaschinen seine berühmte Form. Dabei ist der Panamahut so fein geflochten, dass er ohne Probleme zusammengerollt in einer Kiste transportiert werden kann, ohne dabei seine Form zu verlieren.

Über die Entstehung des Namens kursieren viele Geschichten. Die bekannteste besagt, dass Theodore Roosevelt 1906 einen dieser Strohhüte beim Besuch der Bauarbeiten am Panamakanal trug. Ein Foto des ehemaligen US-Präsidenten machte die Kopfbedeckung weltbekannt. Seitdem heißt der ecuadorianische Hut, bis dahin als Jipi-Japa bekannt, Panamahut.

Roosevelt war nicht der einzige Prominente, der Gefallen an diesem Kleidungsstück fand. Hemingway, Churchill, Honecker, Rockefeller, Atatürk – der Panamahut ist über Genre und Überzeugungen hinweg eine gern benutzte Kopfbedeckung.

Wandbild, Panamahut, Cuenca, Ecuador
Panamahütte, Cuenca, Ecuador
Panamahütte, Cuenca, Ecuador

Nationalpark Cajas

Nur 30 Kilometer von Cuenca entfernt befindet sich der Nationalpark Cajas. Auf einer Höhe zwischen 3.000 und 4.500 Metern erstreckt sich hier eine kühle, moorähnliche Landschaft, in der knapp 300 Seen einen einzigartigen Lebensraum schaffen. Da sich Besucher im dichten Nachmittagsnebel des Parks oft verlaufen, raten uns die Ranger am Parkeingang, das Schutzgebiet bis spätestens 16 Uhr zu verlassen.

Dass dieser Hinweis nicht notwendig ist, erfahren wir bereits nach unseren ersten Schritten im Nationalpark. Dichter, feuchter Dunst liegt in der Luft, trübt die Aussicht. Nasse Kälte kriecht unter unsere Kleidung, während wir durch zähen Schlamm waten. Wir hätten es erahnen können. Die andinen Berge sind uns nicht fremd, doch die penetrante Feuchtigkeit überfordert uns. Das Klima im Nationalpark sei wechselhaft, heißt es. Nebelbänke ziehen plötzlich auf und verleihen dem Moor ein mystisches Ambiente. Nachts fallen die Temperaturen unter den Gefrierpunkt.

Der Cajas Nationalpark ist ein Paradies für Vögel. Hier leben die letzten Andenkondore Ecuadors, Riesenkolibris surren von einer Agavenblüte zur nächsten und selbst Brillenbären sollen in dieser Höhe beheimatet sein. Hier wachsen endemische Baldriansorten und überhaupt viele Pflanzenarten, die entweder nur im Cajas Nationalpark oder in Ecuador heimisch sind.

Nationalpark Cajas, Ecuador
Nebel gehört zum Nationalpark Cajas wie die knapp 300 Seen

Wir wandern durch ein Refugium der Artenvielfalt, auch wenn wir kaum etwas davon erblicken. Der Nebel legt sich nicht nur über die Landschaft, sondern auch auf unser Gemüt. Alles an uns ist klamm – Kleidung wie Gedanken. Wir laufen matschige Hügel auf und ab, während graues Wasser in den Seen schimmert.

Eine alte Inkastraße kreuzt den Park. Von Cuenca führt sie zur Küste und passiert dabei die Ruinen früherer Kontrollposten an denen der Handel des mächtigen Reiches überwacht wurde. Auch Spuren von Dörfern, die aus der Zeit vor den Inkas stammen, befinden sich im Nationalpark. Schon lange vor uns waren Menschen hier; haben in der Kälte gelebt.

Für uns ist das nichts. Ein Tagesausflug reicht, um die Schönheit der Natur zu bewundern. Aber dann wollen wir raus aus der feuchten Kälte und wieder zurück zu den vielen Süßigkeiten ins gemütliche Cuenca.

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Nationalpark Cajas, Ecuador
Nationalpark Cajas, Ecuador

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