Montañita, Ecuador, Titel
Gruseln am Absturzstrand

Montañita


11. September 2021
Ecuador
Schreibe etwas

Montañita, einst friedliches Fischerdorf an Ecuadors Pazifikküste, nennt einen langen Sandstrand und die besten Wellen des Landes sein eigen. Es ist ein Segen und ein Fluch. Das kann man sehen, wie man möchte. Eigentlich ist es nur ein Umstand, eine Situation sozusagen, aber daraus erwächst etwas.

Nun ist es so, dass sich dieser Segen/Fluch/Umstand rumgesprochen hat. Strand und Welle. Das klingt verlockend und es lockt. Montañita lebt vom Tourismus oder lässt sich vom Tourismus am Leben halten. Rucksacktouristen und Surfer eilen hierher, denn andere Rucksackreisende und Surfer haben ihnen von diesem Ort erzählt.

In den 1960er-Jahren sind bereits die Hippies da. Keine Überraschung, waren sie doch an vielen Orten die Vorreiter für eine Entwicklung, die nach ihnen erst richtig Fahrt aufnahm und immer weiter wuchs. Die Aussteiger sind weg und haben ein Surfer- und Ausgehparadies für die Weltreiseclique hinterlassen. Wer heute nach Montañita reist, hat im Grunde eine von drei möglichen Zielsetzungen:

  1. surfen,
  2. surfen lernen,
  3. sich herbe besaufen.

Die Fischer fischen nicht mehr. Es gibt jetzt ein „Brasilian Waxing-Studio“ direkt am Strand. Und zwischen den unansehnlichen Backsteinbauten des Dorfes haben sich noch mehr unansehnliche Backsteinbauten gemogelt, die in Neonfarben angestrichen sind. Sie beherbergen Sushi- und Thai-Restaurants, Pizza- und Burger-Läden und natürlich Diskotheken.

Strand, Montanita, Ecuador
Montanita, Ecuador
Montanita, Ecuador

I ♥ Montañita

An jeder Ecke werden Surfbretter verliehen oder stylishe Kleidung verkauft, denn der Surfer an sich ist ja eher ’ne coole Socke. Haufenweise Billigunterkünfte befinden sich auf der anderen Straßenseite.

Die meisten Gebäude wirken provisorisch. So als hätten ihre Erbauer nicht die Muße für eine anständige Planung. Zusammengezimmerte Bretterbuden prägen den Ort. Da gibt es die Saft-und Obstsalat-Bretterbuden und die Bretterbuden, an denen Schnaps nach Wahl mit Früchten nach Wahl in einem Mixer zum Cocktail verquirlt werden. Am Strand bieten Händler Sonnenhüte und -brillen, Kokosnüsse und das obligatorische „I ♥ Montañita“-Muskel-Shirt an.

Nachts, wenn die Surfer von ihren Brettern geklettert sind, blüht das Dorf erst richtig auf. Kleine Mädchengruppen beherrschen die sandigen Gassen, die den aufwendig lässigen Strand-Look zur Perfektion gebracht haben. Mit knappen oder noch weniger Klamotten und dekorativer Sonnenbrille erweckten sie beinahe den Eindruck, sie kämen geradewegs vom Strand.

In einem kleinen Pool einer Strandbar liegen bunte Luftballons für sie bereit. Ohrenbetäubender Elektro-Pop schallt durch das Dorf. Einige Touristen sind von dieser jungen hedonistischen Atmosphäre so angetan, dass sie viel länger bleiben als geplant. Sie feiern Partys in Ecuador. Sie feiern Strand-Partys. Manche kommen gar nicht mehr weg. Das sind die weniger hübschen Gestalten.

Montanita, Ecuador
Cocktailstand, Montanita, Ecuador
Montanita, Ecuador

Absturz total

Am Strand beobachte ich ein junges Gringo-Pärchen, das zu zweit eine Flasche Whisky trinkt. Pur. Ohne Eis. Es ist 11 Uhr morgens. Sie hat ihr schmales Gesicht unter einer Ray Ban Pilotenbrille versteckt. Er tut es ihr mit dem Wayfarer Modell gleich.

Die meisten Personen, mit denen wir ins Gespräch kommen, erzählen uns, dass sie seit mindestens zwei Nächten nicht mehr geschlafen haben. In Montañita, so meinen sie, würde nämlich niemand schlafen. Ich glaube das sofort, denn obwohl ich einigermaßen gut geschlafen habe, dröhnt die ganze Nacht aus irgendeinem Lautsprecher viel zu laute, viel zu schlechte Musik.

Die zweite große Wahrheit aus Montañita kommt aus den Nischen und wir lernen sie bereits während unseres ersten Spaziergangs durch den Ort kennen. Es scheint nicht ratsam, länger als eine Handvoll Nächte in Montañita zu bleiben. Beweise dafür schlurfen zuhauf durch das Dorf. Völlig kaputte Typen, die mit runterhängenden Hosen und raushängenden Hintern feurig lallende Wortgefechte führen; mit sich selbst. Nicht alle haben hier ihr Leben im Griff. Marihuana wird überall in Papier gedreht, Kokain in der Öffentlichkeit verkauft. Weder Sicherheitskräfte noch Polizisten nehmen ihre Arbeit besonders ernst, falls sie überhaupt da sind. Manchen Herren mit schütterem, fettigem Haar und wässrigen Augen scheint die schützende Hand zu fehlen. Stattdessen präsentieren sie, was passiert, wenn man zu lange in Montañita bleibt. 

Absturz total!

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Strand, Montanita, Ecuador
Strand, Montanita, Ecuador
Montanita, Ecuador
Montanita, Ecuador

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