Stell dir vor, dass…
…der Berg vor deiner Haustür gar kein Berg, sondern ein Vulkan ist.
…dieser Vulkan ausbricht und seine Asche 20 Kilometer hoch in den Himmel spuckt und damit fast ein ganzes Jahr nicht mehr aufhört.
…Erdbeben, Asche, Schlammströme und Überschwemmungen den Ort, den du mal Heimat nanntest, so sehr zerstört haben, dass die Behörden dein Zuhause einfach 10 Kilometer weiter im Norden neu aufbauen wollen.
…alle sagen, dass sich die vielen Anstrengungen einfach nicht mehr lohnen, weil es deine Heimat doch gar nicht mehr gibt.
Und du gehst trotzdem zurück.
2013, fast fünf Jahre nach dem Ausbruch des Vulkans Chaitén, sind knapp 400 Einwohner des gleichnamigen evakuierten Küstenortes im chilenischen Süden zurückgekehrt. 400 von ehemals mehr als 3.500.
Es sind hauptsächlich alte Menschen, denen wir in Chaitén begegnen. Menschen, die sich von ihrer Heimat nicht trennen konnten; nicht trennen wollten. Obwohl es diese doch gar nicht mehr gibt. Sie wohnen in neu errichteten Gebäuden, die sich fast immer nur einen Steinwurf entfernt von ihren ehemaligen, nun zerstörten Häusern, befinden.
Einen Ortskern gibt es in Chaitén nicht mehr. Verwüstung und Neubeginn sind überall nah beieinander. Neue Häuser stehen zwischen verlassenen Häusern. Doch die Zerstörung dominiert. Zerborstenes Holz, zerbrochenes Glas. Wohin man blickt. Und das mitten in der patagonischen Idylle, direkt am Meer gelegen, von Bergen gesäumt. Wir gehen zum Strand. Feiner Sand, das blaue Meer und grüne Hügel. Immerhin scheint hier noch alles in Ordnung.
Wir gehen ein paar Schritte. Ich stolpere. Worüber? Über einen Zaun. Um genauer zu sein über die Spitze eines Holzpfahls, die kaum sichtbar aus dem Sand hinausragt. Und dann wird mir klar, das hier ist gar kein feiner Sandstrand, sondern Asche.
Dächer. Bald sehen wir Dächer aus der Asche ragen, die ganze Häuser verschluckt hat. Unter sich begraben. Wir schauen durch zersprungene Fensterscheiben. Wir möchten niemals fühlen, was die Bewohner Chaiténs bei diesem Anblick fühlen müssen. Alles verloren.
In einigen Häusern türmt sich die Asche bis unters Dach. Quillt aus den Fenstern. Nichts ist mehr übrig vom Leben, das hier einst gelebt wurde. Einige Bewohner sind in ihre alten Häuser zurückgekehrt, haben sie ausgeräumt, ausgefegt. Andere Gebäude sehen aus, als seien sie eben erst verlassen worden. Der Kaffeebecher steht noch auf dem Nachttisch neben dem Bett. Die Fotos der Kinder hängen noch an der Wand. Doch Schlamm, Wasser und Asche haben ihre Spuren hinterlassen.
Die Stimmung ist merkwürdig. Chaitén wirkt an vielen Stellen wie eine verlassene Geisterstadt. Und doch sieht man hier und da einen Menschen. Strom, Wasser, ja sogar Internet funktioniert wieder. Seit einiger Zeit gibt es sogar eine Bank. Vom Eingang der neuen Polizeiwache blickt man nun direkt auf den Vulkan.
Im Supermarkt sind die Regale spärlich gefüllt. Suchende streunen durch verstaubte Reihen. In der Mitte des Ladens klafft ein riesiges Loch. Ein Straßenhund vor dem Eingang fletscht verstört die Zähne.
Die Katastrophe bleibt sichtbar, aber auch spürbar. Nicht nur auf den Straßen, nicht nur beim Anblick der zerstörten Häuser. Über dem Ort liegt das dumpfe Gefühl, dass man von heute auf morgen alles verlieren kann. Dennoch: Im Gegensatz zu den Behörden haben die Zurückgekehrten ihr Chaitén nicht aufgegeben. Sie glauben an eine neue, alte Heimat – auferstanden wie Phönix aus der Asche.
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Aus dem hohen Norden Deutschlands hinaus in die Welt: 2011 zieht es Morten und Rochssare für zwei Jahre per Anhalter und mit Couchsurfing auf den südamerikanischen Kontinent. Genauso geht es nun weiter. Jetzt jedoch in die andere Richtung. Seit 2014 trampen die beiden auf dem Landweg von Deutschland nach Indien und weiter nach Südostasien. Es gibt noch viel zu entdecken.
Von ihren Abenteuern und Begegnungen erzählen sie in ihren Büchern „Per Anhalter durch Südamerika“ und „Per Anhalter nach Indien“, jeweils erschienen in der National Geographic Reihe bei Malik.
