Die Provinz Gilan gehört zu den beliebtesten Urlaubsregionen im Iran. Zwischen den saftig grünen Nordhängen des Elburs und dem Kaspischen Meer herrscht das beste Klima des Landes, sagen die Einheimischen. Die kühle Bergluft und die häufigen Regenschauer, die hier niedergehen, ziehen die hitzegeplagten Iraner aus der Wüste und vor allem aus der stickigen Hauptstadt Teheran in Scharen an. Die Sommer sind heiß und schwül, die Winter mit etwa 10°C angenehm mild. Jetzt im Januar regnet es durchschnittlich jeden zweiten Tag. In einem Land, das zur Hälfte aus Wüsten besteht, ist derart viel Niederschlag beinahe paradiesisch.
In Rasht, der Provinzhauptstadt Gilans, verbringen wir viel Zeit in der wohltemperierten Einzimmerbude unseres Gastgebers Sé, rauchen Wasserpfeife, lauschen den Regentropfen, die gegen die Fenster schlagen. Doch dann findet die Sonne ein kleines Loch in die Wolkendecke und während Sé zu seiner Englischklasse eilt, erkunden wir die Umgebung.
Rasht hat zwar nicht viel zu bieten, ist aber ein hervorragender Ausgangspunkt für die in Gilan verstreuten Schönheiten. So fahren wir mit dem Sammeltaxi ins 30 Kilometer entfernte Fuman, dem Knotenpunkt für zwei der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Region – das Bergdorf Masuleh und die Festung Rudkhan.
Taxi, Taxi im Iran
Taxifahren im Iran ist aufgrund des extrem günstigen Benzins so populär, wie die Ringbahn in Berlin. Jeder nutzt es. Es gibt zwei verschiedene Arten: Das Taxi dar vas ist das Taxi der offenen Tür und bezeichnet ein Sammeltaxi, das auf festgelegten Routen hin und her fährt. Das klassische Taxi dar baste, geschlossene Tür, bezeichnet ein normales Privattaxi. Beide Taxiarten sind äußerlich nicht zu unterscheiden. Die Passagiere erkundigen sich beim Fahrer, ob er als Sammeltaxi oder Privattaxi unterwegs ist.
Unser Taxifahrer ist ein gesprächiger, rundlicher Mann, der mit wenigen Brocken Englisch so viel mitteilen möchte, wie nur möglich. Als er erfährt, dass wir aus Deutschland kommen, leuchten seine Augen. Wir können nicht ahnen, was er über Deutschland weiß, aber für ihn scheint es dem Paradies sehr nahe zu kommen.
Von nun an will er von uns nur noch wissen, wie er nach Deutschland einreisen kann, ob er dort eine Aufenthaltserlaubnis bekommen könne und ob es in Deutschland auch Taxifahrer gebe, schließlich wolle er weiterhin arbeiten. Dann flucht er in wenigen, aber prägnanten Worten über sein eigenes Land, über die Unterdrückung, die katastrophale Wirtschaft, die Überwachung durch den Staat.
Noch während wir in Fuman das Taxi verlassen, drückt uns der Fahrer seine Telefonnummer in die Hand, wir sollen ihn anrufen, wenn wir etwas für ihn tun können. Wir fühlen uns merkwürdig verpflichtet und wissen doch, dass wir diese Nummer niemals wählen werden.
In Fuman frönen wir zunächst einer lokalen Spezialität. Sé hatte uns von den für Gilan typischen Koluche-Keksen erzählt, die mit zerstoßenen Walnüssen gefüllt und vor allem frisch aus dem Ofen besonders lecker sind. Es bedarf keiner großen Kunst Koluche-Kekse in Fuman aufzutreiben. Wortwörtlich an jeder Ecke wird das Gebäck verkauft. Wir kommen gerade im richtigen Augenblick an einer Bäckerei vorbei, als ein Blech frisch gebackener Kekse in die Auslage geschüttet wird.
Von Fuman machen wir uns mit einem weiteren Taxi auf den Weg zur Qal’eh Rudkhan – der mittelalterlichen Felsenfestung Rudkhan. Knapp eine halbe Stunde dauert die Fahrt über eine kurvige, dichte Wälder durchschneidende Straße, bis wir die winzige Siedlung Qal`eh Daneh erreichen. Eine breit angelegte Promenade führt zwischen einem guten Dutzend menschenleerer Restaurants und Teeständen hindurch. Eine Handvoll Kellner und Verkäufer stehen zusammen, Chai trinkend. Sie beachten uns kaum.
Am Fuß des Berges, auf dem die Festung Rudkhan wacht, ist die touristische Infrastruktur für den großen Ansturm vorbereitet. Wenn im Sommer tausende Hauptstädter kommen, um das feuchte, regenreiche Klima in Gilan zu genießen, finden sie hier ihren Platz. Doch jetzt im Winter sind die Restaurants leer und ausgestorben.
Die Festung Rudkhan
Hinter den Gaststätten führt ein einstündiger Wanderweg über Treppen steil den Berg hinauf. Auch hier säumen Essensstände den Weg. Die meisten von ihnen sind ebenfalls geschlossen, nur vereinzelt sitzt eine Figur in einer grob zusammengezimmerten Hütte und verkauft Nüsse, getrocknete Früchte oder Wasserflaschen.
Vom Regen ausgewaschen bedecken Schlamm und verrottendes Laub betonierte Stufen. Um uns herum wachsen Buchen und Persisches Eisenholz, eine endemische Baumart, in die Höhe. Moose haften an ihren Stämmen. Im Sommer schließt sich ihr Blätterdach hoch über den Köpfen der Wanderer, doch jetzt im Winter ragen nur hölzerne Gerippe über uns in den Himmel. Immer weiter stapfen wir den feuchten Hang hinauf. Felsbrocken liegen am Wegrand, auch sie sind mit feuchtem Moos bedeckt.
Ein schmaler Gebirgsbach plätschert durch sein steiniges Bett, Farne und Ranken wachsen an seinem Ufer. Irgendwo hämmert ein Specht gegen einen Baumstamm. Knapp eine Stunde marschieren wir unaufhaltsam bergauf, bis die mittelalterliche Festung Rudkhan rund 600 Meter über dem Meeresspiegel vor uns aus dem Wald auftaucht. Auf einem Bergrücken gelegen erheben sich massive Steinmauern auf einer Länge von anderthalb Kilometern zwischen zwei natürlichen Erhebungen.
Bis heute ist unklar, wer die Festung erbauen ließ. Manche Quelle gehen davon aus, dass die Burg zur Zeit der Sassaniden errichtet wurde und bescheinigen ihr damit eine mehr als tausendjährige Existenz. Andere Quelle verlegen den Bau der Festung in die Zeit der Seldschuken im 12. Jahrhundert. Wer auch immer für den Bau verantwortlich war: Seine Architekten leisteten hervorragende Arbeit, die die natürlichen Gegebenheiten perfekt in die Festungsanlage integrierten. Starke Verteidigungsmauern schützen die Festung, die noch im 18. Jahrhundert von der Zand-Dynastie genutzt wurde.
Durch ein enormes Eingangstor, das von zwei mächtigen, steinernen Türmen gesäumt wird, schreiten wir aus dem dichten Wald in die Burg. Der exponierten Lage geschuldet ist die Festung erstaunlich schmal. Vom Eingangstor sind es nur einige wenige Schritte bis zur gegenüberliegenden Verteidigungsmauer. Stufen führen am Mauerwerk entlang, folgen der natürlichen Erhebung des Felsens. Zinnen auf den robusten Ziegelsteinmauern tragen ebenso zum mittelalterlichen Charme der Burg bei, wie die 42 vollständig erhaltene Wachtürme.
Die Rudkhan Festung war so hervorragend geschützt, ihre Lage so strategisch schlau gewählt, dass sie nie von fremden Mächten eingenommen wurde. Mittlerweile hat sich jedoch die üppige Vegetation der feuchten Nordhänge des Elbursgebirges eingenistet. In den Rissen und Lücken der moosbewachsenen Mauern verhaken sich Wurzeln, wachsen wilde Blumen, Farne und Gräser. Doch noch können sie der beeindruckenden Ruine nichts anhaben. Im Gegenteil, der Pflanzenwuchs verstärkt nur die besondere Atmosphäre einer verlassenen Bergfestung.
Wir erkunden die militärische Anlage – Bögen, Fenster, Tore, Gefängnisräume. Felsvorsprünge, natürliche Kanten und Abhänge sind Teil der wehrhaften Wallanlage. Hinter der Festung ragen kahle Baumkronen über das Mauerwerk. Dunstschwaden ziehen um die umliegenden Anhöhen und verdichten sich zu einer tiefhängenden Wolkendecke, die schon bald beginnt, die Festungsmauern zu verschlucken.
Feucht und kalt umhüllen die Wolken auch uns. Schlagartig verliert die Rudkhan Festung jede charmante Note. Die Mauern sind nun grimmig, düster, unheimlich. Es gibt keinen Grund länger hier zu bleiben und wir treten den steilen Abstieg über den rutschigen Pfad und die schlüpfrigen Treppen an.
Der Traum von einem besseren Leben
Dabei überholen wir ein älteres Paar, das bereits mit uns händchenhaltend und verliebt kichernd die Festung besichtigte. Es stellt sich heraus, dass sie aus Deutschland stammt und mit ihm, einem Iraner, das Land besichtigt. Beide lernten sich vor einigen Jahren während einer organisierten Rundreise kennen. Er, der Reiseleiter, sie, die interessierte Touristin. Zwischen beiden entwickelte sich eine Romanze, die bis heute besteht.
Jedes Jahr verlässt die Frau ihre eigene Zahnarztpraxis in der Heimat, kehrt in den Iran zurück und bereist mit ihrem Freund das Land. Jedes Mal erkunden sie mit dem Auto eine andere Ecke, diesmal den Norden und die Küstenregion des Kaspischen Meeres.
Da beide nun auf dem Weg nach Rasht sind, bieten sie uns eine Mitfahrgelegenheit an, die wir gerne annehmen. Im Pkw kreisen unsere Gespräche über den Iran als Reiseland und die Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Menschen, gerade auch gegenüber allein reisenden Frauen. Den empörten Aufschrei der sogenannten freien Welt gegen den Kopftuchzwang im Iran empfinden wir deshalb auch als Schaumschlägerei.
Noch in Deutschland haben wir die unreflektierte Entrüstung deutscher Frauen ausgehalten, die niemals in den Iran reisen würden, weil das Land mit dem Kopftuchzwang alle Frauen unterdrücken würde. Das ist natürlich Quatsch, auch wenn die Scharia, die islamische Rechtsprechung, ein Kopftuch vorschreibt, muss sie doch von der gastfreundlichen Mentalität der Iraner getrennt werden. Es ist ein Gesetz, an das sich auch Reisende im Iran halten müssen, in erster Linie eine religiöse Praxis, keine Diskriminierung. Viele Iranerinnen, die wir im Land treffen, sind dementsprechend auch starke Persönlichkeiten und keine unterdrückten Menschen zweiter Klasse.
Doch wir sprechen nicht nur über die iranische Gastfreundschaft, sondern auch über die iranische Not. Der gesellschaftliche Druck ist groß, die staatliche Überwachung belastend, Freiheitsrechte existieren praktisch nicht. Viele Iraner suchen daher Möglichkeiten ihr Land nach Westen zu verlassen. Auch der iranische Bekannte, der uns nun durch die Ausläufer des Elbursgebirges zurück nach Rasht fährt, will unbedingt weg.
Schon mehrfach machte er seiner deutschen Freundin einen Heiratsantrag, um mit ihr in Deutschland leben zu können. Doch sie denkt gar nicht daran. Stattdessen genießt sie eine gute Zeit im Iran, mit einem Mann, der wohl mindestens 10 Jahre jünger ist als sie. Hier im Auto sitzen die beiden Seite an Seite vor uns und könnten doch nicht weiter entfernt von einander sein. Auf der einen Seite die freie Deutsche, die allein zum Vergnügen und zur Lust den Iran besichtigt. Auf der anderen Seite der verzweifelte Iraner, der den Repressalien seines Landes nicht mehr ausgesetzt sein will. Die Lösung seines Problems sitzt nur wenige Zentimeter von ihm entfernt und ist doch unerreichbar weit weg.
Noch während unserer Reise durch den Iran erleben wir immer wieder wie händeringend Iraner einen Fluchtweg aus ihrem Heimatland suchen. Häufig wenden sie sich dabei an Ausländer, in der – bestenfalls – romantischen Hoffnung, von ihnen errettet zu werden und nach Europa oder in die USA umzusiedeln. Ein Traum, der viel zu selten wahr werden dürfte.
Wenn ihr unsere Abenteuer und Geschichten gerne auf Papier lesen wollt, dann schaut doch mal hier:
In unserem Buch Per Anhalter nach Indien erzählen wir von unserem packenden Roadtrip durch die Türkei, den Iran und Pakistan. Wir berichten von überwältigender Gastfreundschaft und Herzlichkeit, feiern illegale Partys im Iran, werden von Sandstürmen heimgesucht, treffen die Mafia, Studenten, Soldaten und Prediger. Per Anhalter erkunden wir den Nahen Osten bis zum indischen Subkontinent und lassen dabei keine Mitfahrgelegenheit aus. Unvoreingenommen und wissbegierig lassen wir uns durch teils kaum bereiste Gegenden in Richtung Asien treiben.
2018 Malik, Taschenbuch, 320 Seiten
Masuleh und die Dächer unter den Füßen
Ein weiteres Mal reisen wir von Rasht nach Fuman, knabbern Koluche-Kekse und juckeln dann in einem klapprigen Minibus in das 35 Kilometer südwestlich gelegene Bergdorf Masuleh. Befragt man Iraner nach dem schönsten Ort im Land, schwärmen nicht wenige von diesem kleinen Dorf. So schön, so hübsch, so einzigartig sei es.
Über 100 Höhenmeter hängt die Siedlung terrassenförmig an einem bewaldeten Hang. Steil ragen die sandsteinfarbenen Häuser übereinander auf. Das Flachdach des einen Gebäudes ist der Vorhof des darüberliegenden. Fußgängerwege gibt es kaum, dafür spazieren die Bewohner Masulehs über die Dächer ihrer Nachbarn, sobald sie ihre Häuser verlassen.
Dann geht es von einem Dach zum nächsten, zum nächsten, zum Bäcker und wieder zurück. Manchmal zieht Nebel durch das Dorf, dann verschwinden die Lehm- und Backsteinhäuser in einer dicken Suppe. Vom kleinen Basar, im unteren Teil des Dorfes, lässt sich dann nur noch erahnen, wie weit das steile Dorf den Hang hinauf reicht.
Masuleh, etwa 1.000 Jahre alt, ist die einzige iranische Siedlung, in der motorisierte Fahrzeuge verboten sind. Allerdings ist die Infrastruktur auch schlicht ungenügend. Lasten werden hier noch per Hand bewegt oder mit Schubkarren von einem Ende des Dorfes zum anderen befördert.
Ein eisblauer Himmel wölbt sich über uns, Kälte kribbelt unter der Kleidung. Ich brauche Chai, dringend. Wir keuchen vom Busparkplatz den Hang hinauf. Treppen führen von einer Etage des Dorfes in die darüber liegende. Dann geht es auf den Dächern weiter.
An einer Dachkante sitzt ein Typ auf dem Schornstein des unter ihm befindlichen Gebäudes. Zwei große Knöpfe schließen seine Winterjacke über dem fülligen Bauch. Der Stoff spannt, hält den Mann mit aller Kraft zusammen. Eine Zigarette glimmt zwischen seinen fleischigen, mit dicken Klunkern besetzten Fingern. Sein Blick geht hinaus über die Terrassen, müde, gelangweilt. Ein Gähnen beschreibt das ganze Ausmaß der Misere.
Jetzt in den Wintermonaten ist Masuleh sterbenslangweilig. Kaum ein Mensch ist zu sehen. Von den etwa 1.000 Einwohnern des Dorfes lassen sich nur einen Handvoll blicken. Das lebendigste Element ist ein Mann, der eine Schubkarre voller Bauschutt krachend an einem Hang entleert. Irgendwo klopft jemand einen Teppich über einem Geländer aus. Leichte Staubwolken wirbeln auf, wehen hinaus über die leeren Terrassen des Dorfes.
Im Sommer tummeln sich hier viele einheimische Touristen. Sie durchstreifen die nahe Umgebung, wandern zu Wasserfällen, picknicken in den Wäldern. Jetzt ist an all das nicht zu denken. Es ist bitterkalt, die vielen Niederschläge haben die Waldwege aufgeweicht, in schlammige Pfade verwandelt. Viele Bäume haben ihr Blätterkleid abgeworfen, stehen karg und kahl um das Dorf herum, eisige Gipfel erheben sich im Hintergrund.
In Masuleh schlendern wir unter hölzernen Balkonen hinweg, suchen ein Restaurant, in dem wir wärmenden Chai bestellen können und finden nichts. Die Gaststätten und Teestuben öffnen nur in der Hauptsaison und an den Wochenenden. An einem winterlichen Montagnachmittag verschließen grob zusammengehauene Bretter sämtliche Torbögen im Dorf.
Dann entdecken wir tatsächlich weitere Besucher, die es nach Masuleh verschlagen hat. In einer der unteren Etagen posiert eine Frau in einem weiten, lilafarbenen Kostüm – der typischen Kleidung der Region – und lässt sie sich vor der Dorfkulisse ablichten. Hier in Gilan unterscheiden sich die Traditionen und Bräuche vom Rest des Landes. Selbst die Sprache der Gilaker, der hier lebenden Ethnie, ist eine andere. Die Spuren dieses kulturellen Vermächtnisses reichen bis auf kaukasische Volkstämme zurück, die sich einst hier am südlichen Ufer des Kaspischen Meeres niederließen.
Wir schlendern weiter über die Dächer und treffen bald auf die massive, kastenförmige Moschee des Ortes. Auf ihrem Dach befindet sich eine kleine Kuppel, eingequetscht zwischen zwei Minaretten. Rotes und grünes Fensterglas am oberen Ende der Gebetstürme reflektiert das Sonnenlicht, lassen sie wie Leuchttürme in einem bewaldeten Meer aussehen. Vor der Moschee sind Grabplatten in den Boden eingelassen. Aber auch in den Wänden der nahen Wohngebäude erinnern Gedenktafeln an verstorbene Bewohner des Dorfes.
Ein paar Minuten später haben wir den kleinen Basar – eine Handvoll Bretterbuden am unteren Ende des Ortes – erreicht. Hier werden getrocknete Früchte und gepresste Fruchtmusscheiben, Lavashak genannt, angeboten. Klebrig und extrem sauer sind die dünnen Platten einer der beliebtesten Snacks im Iran.
Vor allem Lavashak-e Alu, Fruchtmusscheiben aus gepressten Pflaumen, sind sehr begehrt. Dabei ist es so sauer, dass wir nicht mehr als ein fünf Mal fünf Zentimeter großes Stück essen können. Die Säure greift sofort an, ätzt unsere Schleimhäute in Mund und Rachen. Unsere Gesichter ziehen sich zusammen und wir können nicht anders, als gleich ein zweites Stück hinterher zu schieben.
Iraner lieben ja bekanntlich saures Essen – immer. Mit sauren Berberitzen verfeinern sie ihren Reis, Kebab wird mit Sumach, dem sauersten Gewürz der Welt, abgeschmeckt und in manchen Landesteilen wird Fesenjoon serviert, ein Hühnchengericht mit einer süß-sauren Granatapfel-Walnuss-Soße. Die zusammengezogenen Mundwinkel gehören also zur iranischen Küche, wie die Kartoffel in die deutsche.
Unten auf dem Parkplatz, dort wo die einzige Straße in einer Sackgasse endet, sitzen alte Männer in schwarzen Jacketts. Ihre Wangen sind mit grauen Bartstoppeln übersät, die braune Haut wettergegerbt. Sie rauchen im Sonnenlicht auf einer Bank. Ab und an blinzeln sie hinüber, beobachten zwei Ausländer, die im winterlichen Masuleh ihre kauenden Gesichter zu sauer-lustigen Grimassen verziehen.
Als wir endlich im klapprigen Bus sitzen, schaukeln wir zurück nach Fuman und weiter nach Rasht. Säure hat unsere Kiefermuskulatur angegriffen. Den Rest des Lavashaks teilen wir mit Sé, genauso wie die Koluche-Kekse. Dann beginnt es wieder zu regnen. Gilan verwöhnt uns mit all seinen Vorzügen.
Die Provinz Gilan am Kaspischen Meer in zwei Teilen
Teil 1: Rasht, die liberale Blase am Kaspischen Meer
Teil 2: Masulehs Dächer und die Festung Rudkhan
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Aus dem hohen Norden Deutschlands hinaus in die Welt: 2011 zieht es Morten und Rochssare für zwei Jahre per Anhalter und mit Couchsurfing auf den südamerikanischen Kontinent. Genauso geht es nun weiter. Jetzt jedoch in die andere Richtung. Seit 2014 trampen die beiden auf dem Landweg von Deutschland nach Indien und weiter nach Südostasien. Es gibt noch viel zu entdecken.
Von ihren Abenteuern und Begegnungen erzählen sie in ihren Büchern „Per Anhalter durch Südamerika“ und „Per Anhalter nach Indien“, jeweils erschienen in der National Geographic Reihe bei Malik.