Taj Mahal, Agra, Indien

Der Taj Mahal und die Liebe des Schah Jahan


3. März 2019
Indien
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Teil 1: Die Mogulkaiser und der Palast Fatehpur Sikri

Schah Jahan, nun bruderlos, lenkt ab jetzt die Geschicke des mächtigen Mogulreiches. Er ist mit seiner großen Liebe Mumtaz Mahal, einer Tochter seines Komplizen Asaf Khans, verheiratet. Vom Tag ihrer Hochzeit gehen beide nur noch gemeinsame Wege. Mumtaz Mahal gilt als die wichtigste Vertraute Schah Jahans. Keinen Wunsch schlägt er ihr aus. Höfische Dichter preisen die Schönheit der jungen Frau, ihr Mitgefühl für Bedürftige, für die Armen und Entrechteten.

So wie Mumtaz Mahal gilt auch Schah Jahan als feinfühlig. Der neue Kaiser ist ein Ästhet. Bereits in jungen Jahren beeindruckt er vor allem seinen Großvater Akbar durch eine gehobene Bildung und die Vielseitigkeit seiner Interessen. Schah Jahan widmet sich nicht nur der Musik und der Literatur, er ist auch ein beachteter Kämpfer im Ring. Wie Akbar fördert er mit großer Leidenschaft die kunstvolle Architektur jener Zeit. Unter Jahan wächst der persische Einfluss, übernimmt eine führende Rolle in der Mogularchitektur. Zwar sind Jahans Prachtbauten weniger Avantgarde als Akbars, dafür entwickelt sich das Bauwesen während seiner Regentschaft zu höchster Blüte.

Jama Masjid, Agra, Indien
Blick vom Kinari Bazar auf die Jama Masjid in der Nähe des Roten Forts

In Agra lässt Schah Jahan das von seinem Großvater Akbar errichtete Rote Fort von einer Wehranlage zum eleganten Palastgelände umbauen. Viel weißer Marmor, der bevorzugte Baustoff Schah Jahans, steht noch heute im starken Kontrast zu den von seinem Großvater errichteten, sandsteinroten doppelten Befestigungsmauern, die auf einer Länge von 2,5 Kilometern in Halbmondform bis zu 20 Meter in die Höhe ragen.

Das Rote Fort in Agra

Gewaltig und einschüchternd recken sich die zwei Türme des Amar Singh Tores im Süden der Festung empor. Der heutige Haupteingang des Roten Forts war einst lediglich dem Kaiser Akbar und seinem Gefolge vorbehalten.

Durch eben dieses wuchtige Tor gelangen wir in den ehemaligen Palast. Rhesusaffen sitzen hoch oben auf den Wehrmauern, beobachten alle Neuankömmlinge im Fort. Darunter sind auch die Pilotenbrillenträger aus der Stadt. Junge Männer, die mit ausladenden Bewegungen für Handyfotos posieren, die mich an Musikvideos aus den 90ern erinnern.

Mit coolen Gesten streichen sie sich immer wieder durchs Haar, tippen mit den Fingern an die goldumrandeten Gläser ihrer Pilotenbrillen. Ihre Posen sind einstudierte Automatismen – mal Gangster, mal Sunnyboy, aber immer tadellos in Szene gesetzt. Auch wir gelangen bald in den Radar der jungen Männer und grinsen gemeinsam in die Kameras ihrer Smartphones.

Rotes Fort, Agra, Indien
durch das gewaltige Amar Singh Tor gelangen wir in das Rote Fort von Agra
Rotes Fort, Agra, Indien
die Außenanlage des Roten Forts in Agra
Rotes Fort, Agra, Indien
bunten Saris im Roten Fort, Indien ist ein farbenfrohes Land

Diese plötzlichen Fotosessions sind nichts Neues mehr für uns. „Sir, Selfie, Sir!“, ist mehr eine Aufforderung, als eine Bitte. Oft genug wird nicht einmal gefordert. Da stellen sich wildfremde Menschen neben uns, halten ihre übergroßen Smartphones in unsere Gesichter und knipsen ohne ein einziges Wort Dutzende Bilder. Uns bleibt häufig nur mit den Schultern zu zucken. „Acha, Thike“ – „Ok, einverstanden“. Schnell machen wir uns dann aus dem Staub, bevor der Pulk der Fotolustigen größer wird.

Hinter den monumental machtprotzenden Befestigungsmauern Akbars erscheint die wohl schönste Mogulfestung Indiens. Ästhetische Formen führen den Blick beschwingt durch die Anlage. Weißer Marmor und Verzierungen mit Glas und Halbedelsteinen prägen die Palastbauten. Gärten und Pavillons schmücken das Gelände. Die Versammlungshallen beeindrucken mit bunten Arabesken. Moscheen dienen der religiösen Pflicht.

Rotes Fort, Agra, Indien
verzierte Marmorplatten verkleiden die Räume der Paläste
Rotes Fort, Agra, Indien
Wandreliefs und dekorative Elemente schmücken die prächtigen Palastgebäude
Rotes Fort, Agra, Indien
in der Diwan-i-Khas empfing Schah Jahan private Gäste

In luftigen Gemäuern, die den Blick weit über den kaiserlichen Hof schweifen lassen, empfängt Schah Jahan Gäste und Bittsteller, regelt die Regierungsgeschäfte. In einer privaten Versammlungshalle, der Diwan-i-Khas, grüßt der Kaiser besondere Staatsgäste von seinem berühmten mit Blattgold und Tausenden Edelsteinen verzierten Pfauenthron. Auch der Koh-i-noor, einer der größten Diamanten der Welt, soll sich auf ihm befunden haben.

Mit seiner Geliebten Mumtaz Mahal an der Seite schlendert er in seidenen Roben durch die kaiserlichen Gärten, erzählt ihr Liebesgeschichten. Dann wird Mumtaz Mahal schwanger, bereits das 14. Mal in 11 Jahren gemeinsamer Ehe. Doch die Geburt ihrer achten Tochter endet tragisch. Zwar überlebt das Kind, doch Mumtaz Mahal raubt die Geburt sämtliche Kraft. Sie stirbt kurze Zeit später. Schah Jahan bricht es das Herz. Es heißt, dass sein zuvor dichtes, schwarzes Haar in wenigen Tagen ergraut. Die Welt um ihn herum versinkt. Tage und Nächte sind gleichermaßen schwarz, freudlos, voll Trauer und Leid. Schah Jahan, der stolze Kaiser, fällt in eine schmerzhafte Leere.

Rotes Fort, Agra, Indien
Rhesusaffen beobachten die Besucher des Roten Forts
Rotes Fort, Agra, Indien
Säulen in der Diwan-i-Khas, der privaten Versammlungshalle des Kaisers
Rotes Fort, Agra, Indien
die stolzen Wehrmauern des Roten Forts

Der Taj Mahal, ein Grabmal ewiger Liebe

Ein Versprechen an seine sterbende Frau befreit ihn aus der Lethargie: Das schönste aller Grabmäler soll das ihre sein, ein Beispiel vollkommener Harmonie. Unerreicht in seiner Perfektion bis in alle Ewigkeit. So beginnt der Bau des Taj Mahals, das zum Meisterwerk der Mogularchitektur aufsteigen wird.

Zwei Jahre trägt Schah Jahan Trauer. Er verzichtet auf exklusive Kleidung, Schmuck und Parfum, wendet sich ab von Musik, isst fortan asketisch und überlässt die Regierungsgeschäfte seinen Söhnen.

Der Taj Mahal wird zu seiner Obsession. Mehr als zwanzig Jahre bauen über 20.000 Arbeiter an der Anlage. Architekten und Bauherren kommen aus der gesamten orientalischen Welt, um ihren Dienst dem Grabmal zu widmen. Nicht weniger als perfekte Symmetrie ist ihr Ziel. Aus weißem Marmor errichten sie auf einer Plattform eine quadratische Zentralhalle mit hoch aufragender Zwiebelkuppel. Stolze 74 Meter ragt das Gebäude in die Höhe. Vier kleinere Hallen mit je einem großen und vier kleineren Iwanen grenzen in jede der vier Himmelsrichtungen an die Zentralhalle.

Taj Mahal, Agra, Indien
der Taj Mahal

Literatur Indien

Literaturtipps zu Indien

Zwischen Himalaja und Indischem Ozean entstehen atemberaubende Geschichten. Wenn ihr Lust habt mehr über den spannenden Subkontinent zu erfahren, bekommt ihr hier 11 Literaturtipps von uns, mit denen ihr vom heimischen Sofa in die faszinierende, ungeschminkte Welt Indiens eintauchen könnt. Und ja, Rochssare hat sie alle selbst gelesen.

zu den Literaturtipps

Die Fassaden schmücken Mosaike aus Halbedelsteinen, Koranverse und detaillierte Blumenreliefs. Die Eckpunkte der Plattform zieren frei stehende, 40 Meter hohe Minarette. Sie sind leicht nach außen geneigt, sodass sie im Fall eines Erdbebens nicht auf die Grabstätte stürzen. Zur Symmetrie der Anlage gehören auch die beiden Moscheen aus rotem Sandstein, die den Taj Mahal flankieren. Dabei wird nur eines der Gebäude tatsächlich religiös genutzt. Sein Gegenüber dient allein der Harmonie.

Die erhobene Position auf der Plattform lässt den Taj Mahal vor dem Hintergrund eines makellosen Himmels erscheinen. Nichts sollte von der Schönheit des Mausoleums ablenken. Nördlich der Plattform fließt der Jamuna träge am Taj Mahal vorbei. Am gegenüberliegenden Ufer befindet sich der Mehtab Bagh, ein Garten angelegt vom ersten Mogulkaiser Babur, der auf einer verlängerten Achse ebenfalls perfekt in die Symmetrie der Anlage des Taj Mahals eingegliedert wurde.

Taj Mahal, Agra, Indien
der Taj Mahal am frühen Morgen
Taj Mahal, Agra, Indien
detaillierte Verzierungen schmücken die weißen Marmorplatten
Taj Mahal, Agra, Indien
andere Perspektive und noch immer eindrucksvoll

Selbst heute ist die Verbindung zwischen Mehtab Bagh und Taj Mahal noch immer sichtbar. Zwar wirkt der Garten nicht mehr ganz so herrschaftlich, aber noch immer zieren ihn gestutzte Hecken und saubere Blumenbeete. Besonders am späten Nachmittag spazieren wir gerne im Mehtab Bagh umher. Dann flattern im warmen Licht bunt leuchtende Punkte entlang der Mauern des Taj Mahals. Es sind die in Saris und Shalwar Kamiz gehüllten Einheimischen, die das Grabmal besuchen. In unseren Augen fliegen sie wie liebliche Fähnchen am kühlen Marmor vorbei, verleihen dem ohnehin einzigartigen Gebäude eine Atmosphäre, die nur in Indien Wirklichkeit werden kann.

Taj Mahal, Agra, Indien
der Taj Mahal erhebt sich hinter der gepflegten Parkanlage des Mehtab Bagh
Taj Mahal, Agra, Indien
auch vom Mehtab Bagh auf der anderen Seite des Jamuna ist der Blick auf den Taj Mahal fantastisch

Mit der Fertigstellung des Taj Mahals ist Schah Jahan überzeugt, dass das Grabmal seiner Lieblingsfrau Sonne und Mond zu Tränen rühren wird. Seitdem wird der Taj Mahal immer wieder mit betörenden Schwärmereien bedacht. Es sei ein Zeichen aller Reinheit, eine Träne auf der Wange der Ewigkeit. Natürlich ist der Taj Mahal heute Weltkulturerbe und natürlich strömen jeden Tag Tausende Besucher hierher, um einen Blick auf das architektonische Wunder zu werfen.

Dabei stecken sie ihre Füße in weiße Zellstoffsäcke, damit die Anlage und vor allem der edle Marmor nicht beschädigt werden. Dem Schutz des Taj Mahal wird alles untergeordnet. Verbrennungsmotoren sind in den Straßen rund um den Taj Mahal verboten. Keine Autos, keine Rikschas, nicht einmal Mopeds dürfen sich der Anlage nähern. Zu groß ist die Angst, dass die Abgase den reinen weißen Marmor verfärben könnten.

Stattdessen bringen Fahrradrikschas und ein gutes Dutzend Kamelkutschen die Besucher an ihr Ziel. Besonders Inder erfreuen sich an der schwankenden Fahrt in den selbst gebauten Anhängern. Mit bis zu 12 Passagieren rollen sie so ausgelassener Stimmung vor das ehrwürdige Monument.

Agra, Indien
Kamelkutschen ziehen Besucher bis vor den Taj Mahal

Immer und immer wieder wird der Taj Mahal angesteuert. Stunde für Stunde an sechs Tagen in der Woche. Die beste Zeit für einen Besuch ist kurz nach Sonnenaufgang, bevor Touranbieter ihre Reisebusse hier entladen. Vor allem ausländische Reisende schlendern zwischen 6 und 8 Uhr morgens um den Taj Mahal. Da die Reisegruppen erst gegen 8:30 Uhr einfallen, bleibt mit etwas Glück eine halbe Stunde, in der die Magie des Taj Mahals beinahe ohne Besucher zu wirken beginnt.

Zugegebener Maßen waren wir skeptisch. Hat ein Gebäude, von dem man schon Hunderte Bilder gesehen hat, noch irgendeinen Reiz? Ist der besondere Glanz nicht längst der inflationären Dauerrezeption gewichen? Augenscheinlich nicht, denn der Taj Mahal ist in der Wirklichkeit tatsächlich noch fantastischer. Viel schöner als jede Abbildung, die zwar Fassade aber kein Gefühl übermitteln kann. Bilder sind klinisch, das Original berührend.

Wie ein Traum erhebt es sich elegant, weiß und sauber aus dem Gewimmel, das wir gemeinhin als Indien kennen. Ein künstlich angelegter, zentraler Wasserlauf durchschneidet den nach persischem Vorbild angelegten Garten vor dem Mausoleum. Er bildet die Spiegelachse für Bäume und Beete, die zu beiden Seiten in identischen Abständen angepflanzt wurden. In diesem eindrucksvollen symmetrischen Park nähern wir uns Schritt für Schritte dem glanzvollen Gebäude.

Taj Mahal, Agra, Indien
der Taj Mahal gesehen von der flankierenden Moschee
Taj Mahal, Agra, Indien
Pause am Taj Mahal
Taj Mahal, Agra, Indien
menschenleer ist die Anlage des Taj Mahals fast nie

Das Innere des Taj Mahal ist überraschend schmucklos. Direkt unter der zentralen Zwiebelkuppe befindet sich in der Mitte der luftigen Halle das marmorne Kenotaph der Mumtaz Mahal, ein schlichtes Scheingrab. Ihr eigentliches Grab liegt ein paar Meter tiefer verschlossen in der Plattform.

Während der Bauzeit des Taj Mahals laufen die Regierungsgeschäfte des mächtigen Mogulreiches an Schah Jahan zunächst vorbei. Dara Shikoh, Jahans ältester Sohn, ergreift seine politische Chance. Ein Freigeist wie sein Urgroßvater Akbar und mit dem Hang zum Luxus seines Großvaters Jahangir ausgestattet, füllt er vorübergehend die Lücke an der Spitze des Herrschaftssystems. Dara liebt das Hofleben, exquisite Kleidung und Literatur. Er ist ein Anhänger des Sufismus, einer die universelle Liebe propagierenden mystischen Strömung des Islams und wird von seinem Vater Schah Jahan bevorzugt behandelt.

Taj Mahal, Agra, Indien
Blick vom Taj Mahal hinüber zum prächtigen Eingangstor der Parkanlage

Aurangzeb und der Niedergang

Doch das Gespann aus Schah Jahan und Dara Shikoh missfällt den übrigen drei Söhnen des Kaisers. Besonders Aurangzeb, dritter Sohn Schah Jahans, ein kampflustiger, orthodoxer Moslem, will sich nicht mit dem liberaleren Dara als zukünftigen Regenten abgeben.

Dabei hat Aurangzeb ein Problem. Sein Vater Schah Jahan kommandiert ihn in die entfernte Grenzprovinz Dekkan ab. Aurangzebs Position am Hof scheint geschwächt, doch schon jetzt unterhält der Prinz ein umfangreiches Netzwerk aus Spionen am Hof. Kein gesprochenes Wort im kaiserlichen Palast entgeht ihm.

Aurangzeb sät Misstrauen und Zwietracht in der eigenen Familie, bringt seine Brüder Murad Bakhsh und Schah Shuja gegen den ältesten Bruder und designierten Thronfolger Dara Shikoh auf. Er rebelliert offen gegen die alte Ordnung und ist entschlossen, seine Gegenüber militärisch zu stürzen. Vor den Toren Agras kommt es 1658 zur entscheidenden Schlacht.

Agra, Indien
in den Marktgassen von Agra herrscht Hochbetrieb

Dara Shikohs Truppen sind in der Überzahl, Aurangzebs Männer besser ausgebildet. Als die Schlacht beginnt, ist der Ausgang ungewiss. Vom Rücken seines Kriegselefanten dirigiert Dara seine Soldaten, treibt sie vorwärts, dem eigenen Bruder und Feind entgegen. Doch während der Kämpfe begeht Dara Fehler, lässt sich von seinen Generälen, Spione Aurangzebs, schlecht beraten und verliert. Aus Scham über die Niederlage wagt er es nicht, seinem Vater gegenüberzutreten, und flieht sofort nach Delhi.

Aurangzeb hingegen marschiert in Agra ein, übernimmt das Rote Fort und setzt seinen Vater Schah Jahan unter Hausarrest. Gefangen in einem Turm der Festung, mit Blick auf den Taj Mahal, lebt Schah Jahan noch weitere acht Jahre bis zu seinem Tod im goldenen Käfig. Wie damals ist auch heute der Blick von Agras roter Festung auf den Taj Mahal unverstellt.

Taj Mahal, Agra, Indien
2 km vom Roten Fort entfernt schmiegt sich das prächtige Taj Mahal an eine Biegung des Jamuna
Rotes Fort, Agra, Indien
Musamman Burj, so heißen die Räume, in denen Schah Jahan die letzten Jahren seines Lebens verbrachte

Der gerade erfolgreiche Feldherr Aurangzeb lässt noch während der Siegesfeier in Agra seinen Bruder Murad Bakhsh gefangen nehmen und nach Delhi verschleppen, wo er in einem Verlies mit täglichen Dosen Opium in den Schwachsinn getrieben wird. Wenige Tage später marschiert Aurangzeb mit seiner Armee auch in Delhi ein, stellt seinen Bruder Dara Shikoh mit seiner Familie zunächst unter Hausarrest und lässt sie später hinrichten.

Den Kopf Daras schickt er, als Geschenk verpackt, an seinen Vater Schah Jahan nach Agra. Der vierte Bruder Schah Shuja entkommt zunächst dem skrupellosen Aurangzeb und flieht ins Exil an den Hof von Mrauk U im heutigen Myanmar. Doch schon bald nach seiner Ankunft, die er mit Gold und Edelsteinen beim König von Mrauk U erkauft, wird er des Aufstands beschuldigt und mit samt seiner Familie getötet.

Endlich uneingeschränkter Mogulkaiser regiert Aurangzeb bis zu seinem Tod 1707 mit harter Hand. Er vertraut niemandem, bricht mit der toleranten Herrschaft gegenüber Nichtmuslimen seiner Vorgänger. Aurangzeb entfernt Hindus aus hohen Beamtenpositionen, führt die seit Akbar abgeschafften Zusatzsteuern für Nichtmuslime wieder ein, zerstört hinduistische Tempel und ermordet den religiösen Anführer der Sikh Guru Teg Bahadur.

Die religiösen Wunden, die Aurangzeb aufreißt, sind auf dem indischen Subkontinent bis heute nicht verheilt. Als orthodoxer Muslim verbietet er außerdem Musik in seinen Palästen und entlässt die höfischen Maler. Anders als seine Vorgänger errichtet er mit der Badshahi Moschee in Lahore nur ein einziges bedeutendes Gebäude.

Taj Mahal, Agra, Indien
Taj Mahal, Agra, Indien
der Taj Mahal wird täglich tausendfach fotografiert

Stattdessen führt Aurangzeb Krieg gegen die Perser unter dem Safawiden Schah Abbas II und verliert Kandahār. Gleichzeitig gelingt ihm die Ausweitung des Reiches nach Süden, wodurch er das Mogulreich zur größten Ausdehnung seit des Bestehens und zugleich in den Bankrott führt. Die Staatskassen, schon unter Schah Jahan nicht mehr prall gefüllt, versiegen. Die innere Sicherheit des Mogulreiches bricht zusammen. Aufstände der mehrheitlich hinduistischen Bevölkerung und Korruption im Verwaltungsapparat schwächen Aurangzebs Position des starken Herrschers. Das Mogulreich geht seinem Untergang entgegen und mit ihm verliert auch Agra den Glanz.

Die Moguln sind schon lange nicht mehr an der Macht. Aurangzeb ist mehr als 300 Jahre tot. Dennoch ist die Ära der prachtvollen Mogulkaiser noch immer sichtbar. Ihre ikonischen Bauwerke, allen voran der Taj Mahal, haben die Zeit überdauert. Von einer Dachterrasse über den staubigen Gassen Agras betrachten wir das Mausoleum von Mumtaz Mahal ganz in der Nähe. Feuerrot geht die Sonne im Westen unter, lässt die marmornen Wände des Gebäudes in leichtem Rosa glänzen.

Agra, Indien
Abendstimmung über den Dächern von Agra

Ein ähnliches Bild vom Taj Mahal mag auch Schah Jahan mit klagendem Herzen während seiner Gefangenschaft im Roten Fort gesehen haben. Doch die Liebesgeschichte zwischen Schah Jahan und Mumtaz Mahal endet versöhnlich. Nach seinem Tod wird Schah Jahan in den Katakomben des Taj Mahals neben der Liebe seines Lebens beigesetzt.

So hinterlässt die Geschichte in Agra auch hoffnungsvolle Spuren. Im schönsten Gebäude der Welt sind zwei Liebende für immer vereint. Eine unsterbliche Liebe, die im Schatten der Marmorplatten alle Widerstände überwindet. Die Erzählung von Mumtaz Mahal und Schah Jahan wird überdauern. Vielleicht bis in die Ewigkeit.

Taj Mahal, Agra, Indien
vielleicht das schönste Gebäude der Welt

Liebe und Intrige in Agra in zwei Teilen

Teil 1: Die Mogulkaiser und der Palast Fatehpur Sikri

Teil 2: Der Taj Mahal und die Liebes des Schah Jahan

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  • Martina
    25. April 2019

    Wooow! Unglaublich schöne Architektur! Ich träume von einer Reise nach Indien, danke für die Inspiration.


    • Morten & Rochssare
      28. April 2019

      Sehr gerne! Die Mogularchitektur ist wahnsinnig schön. Ein irrer Mix aus ganz verschiedenen Einflüssen 🙂