Bukittinggi, Sumatra,Titel
Rund um Bukittinggi, Sumatra

Riesenrafflesien im Land der Minangkabau


3. Januar 2021
Indonesien
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Die Sonne scheint uns auf den Pelz – auch an Regentagen. Wir sind auf Sumatra, der sechstgrößten Insel der Welt und streifen ungestört über kurvige Dschungelpisten. Sumatra liegt noch ein wenig abseits der großen Touristenströme, die über Südostasien hinweg fegen. Das hat Gründe: Die Wege sind weit und auch wir verbringen mehr Zeit am Straßenrand als irgendwo anders. Nichtsdestotrotz liegen wir der Insel und ihren Bewohnern, die uns mit Wärme und Herzlichkeit begegnen, zu Füßen.

Es ist erst ein paar Stunden her, da sind wir über den Äquator gefahren und nun stehen wir in urig üppigem Primärwald. Der Boden ist tief, aufgeweicht vom Regen der letzten Nacht. Ein heftiger Guss wie er nur in den Tropen niedergehen kann. Rutschige Pfade führen Hügelrücken hinauf. Moderndes Laub bedeckt die fruchtbare Erde. Jeder Schritt zieht ein leichtes Schmatzen auf dem feuchten Untergrund mit sich. Wir sind auf der Suche nach der Riesenrafflesie.  

Ohne Blätter, ohne Wurzeln und ohne Stamm bildet die Rafflesia arnoldii die größte Blüte der Welt. Ein Gigant mit einem Durchmesser von bis zu einem Meter und dem Gewicht von drei Neugeborenen. Die Riesenrafflesie gehört zu den seltensten Pflanzen der Welt und es gibt nur noch wenige Orte an denen ihre gewaltigen Knospen regelmäßig gesichtet werden.

Das Dorf Batang Paluphu auf Sumatra gehört zu ihnen. Hier in der Umgebung wachsen die Riesenrafflesien das ganze Jahr hindurch. Schmale Pfade führen durch das Dickicht des Dschungels. Umgeknickte Bäume lassen uns Umwege suchen. Über unseren Köpfen filtern die Baumkronen das Sonnenlicht. Nur hier und da bricht es märchenhaft durch das Blätterdach.

Siedlung im Dschungel, Sumatra, Indonesien
im Dorf Batang Paluphu
Siedlung im Dschungel, Sumatra, Indonesien
Reisfelder, Sumatra, Indonesien

Rafflesia arnoldii, die Monsterblüte

Die Rafflesie ist ein Vollschmarotzer; haftet an Lianen, die hier im Wald weit verbreitet sind und sichert so ihr überleben. Offen gesprochen wäre die Riesenrafflesie ohne ihren Wirt verloren, denn sie ist nicht in der Lage eigenständig Chlorophyll zu bilden. Wir schleichen durch den Wald, suchen in allen Richtungen. Mit der Nase im Wind wollen wir die Rafflesien aufspüren, die sich in süßlichen, verwesenden Duft hüllen, um Insekten anzulocken.

Doch unsere Nasen geben keinen Hinweis. Stattdessen stolpern wir nach einer Stunde auf morastigen Pfaden über dunkelbraune Kohlköpfe auf dem Waldboden. Es sind die Knospen der Riesenrafflesien, die in acht Monaten zur Blüten heranwachsen und anschließend etwa anderthalb Wochen blühen. Voll entwickelte Rafflesien zu finden ist eine Frage des Glücks, denn nach wenigen Tagen zerfällt die Blüte bereits wieder und verrottet im feuchten Tropenklima. Doch jetzt sind wir nah dran.⠀

Ein paar Schritte vom Wegrand entfernt, fällt ein steiler Abhang gut drei Meter in die Tiefe. Dort unten erspähen wir sie: die ausladende Blüte einer Rafflesie. Wie ein bauchiger, rötlichbrauner Kochtopf liegt sie auf dem Boden. Vielleicht 80 Zentimeter beträgt ihr Durchmesser. Fünf riesige, gepunktete Blütenblätter wellen sich um ihn herum.

An losen Ranken hangeln wir uns hinab, um der Rafflesie noch näher zu sein. Mitten im feuchten Wald sind wir von ihrem Anblick fasziniert. Es ist ein wahnsinniges Ding, für dessen Pracht wir keine Vergleiche finden. Die Riesenrafflesie zu sehen ist ein Geschenk; sie zu finden ein Abenteuer. Beglückt schleichen wir durch das Unterholz. Der Urwald Sumatras ist gerade ein Teil unserer inneren Landkarte geworden, gehört von nun an zum Revier unserer Erinnerungen.

Rafflesia arnoldii, Sumatra, Indonesien
Rafflesia arnoldii, die größte Blüte der Welt
Rafflesia arnoldii mit Frau, Sumatra, Indonesien
Riesenrafflesia, Sumatra, Indonesien

Als wir aus dem Dschungel heraustreten, blicken wir auf die hübschen Reisfelder von Batang Paluphu. Eingekesselt vom mächtigen Wald und aufragenden Felsen liegen sie vor uns. Die Ernte ist gerade erst vorbei und schon bearbeiten ein paar Bauern mit Strohhut und Hacke bereits wieder ihre schlammigen Ackerflächen. Bananenbäume wachsen zwischen den Feldern und den bunt gestrichenen Wohnhäusern des Dorfes, die mit rostendem Wellblech gedeckt sind. Davor, auf betonierten Terrassen, trocknen Reiskörner in großen Mengen in der Sonne. Die Gärten schmücken blühende Gewächse, die mal elegant, mal ausufernd wild erscheinen.

So wie Batang Paluphu ist das gesamte Hochland Sumatras ein Augenschmaus. Reisfelder, die sich im warmen Licht an den Dschungel schmiegen, gehören ebenso dazu wie kleine Dörfer, in denen sich alle paar Hundert Kilometer – je nach ethnischer Zugehörigkeit – die traditionelle Bauweise der Häuser verändert. Kokospalmen und Bananenbäume wiegen sich im lauen Wind. Überhaupt ist alles so unglaublich grün.

Hinter den Dörfern und Felder greift die tropische Vegetation mit ihrer fruchtbaren Kraft um sich, schiebt sich bis hinauf auf die umliegenden Berge, deren Kuppen in tief hängenden Wolken verschwinden. In mäandernden Flüssen toben Kinder wild herum, während Frauen gleich nebenan die Wäsche waschen. Und dann, kurz vor Sonnenuntergang, trifft sich das gesamte Dorf zum täglichen Bad nach vollendetem Tageswerk. Tee- und Kaffeeplantagen liegen hier in den Bergen. An den Rückspiegeln der meisten Autos hängen keine Duftbäume, sondern mit Kaffeebohnen gefüllte Säckchen. Männer gehen mit abgerichteten Promenadenmischungen auf Wildschweinjagd. Andere schleichen mit geschultertem Gewehr und lautlosen Schritten durch das Unterholz.

Reisfelder, Sumatra, Indonesien
Reisfelder, Sumatra, Indonesien
Reisfelder, Sumatra, Indonesien

Der Königspalast der Minangkabau

Wir hingegen knallern auf einem Roller durch die Landschaft, trinken Kaffee in einer kleiner Rösterei am Wegrand und stehen bald darauf vor einem prachtvollen gehörnten Gebäude. Hier im Kernland der Minangkabau, der ansässigen Ethnie im Hochland Sumatras, ist dies die traditionelle Architektur. Der Stil ist elegant, verleiht der kleinsten Hütte Würde und den prächtigen Herrschaftssitzen der Königsfamilien eine imposante Aura. Einst eines der wichtigsten Machtzentren auf Sumatra gilt das Reich der Minangkabau lange als stolz und selbstbewusst.

Legenden erzählen bis heute davon. So heißt es, dass eine Armee von der Nachbarinsel Java das Land der Minangkabau erobern will. Ein Büffelkampf soll über Sieg und Niederlage entscheiden. Die Javaner bringen ein stattliches Tier auf den Kampfplatz, ein Büffel gewaltigen Ausmaßes, mit unbändiger Kraft. Die Minangkabau hingegen, führen ein Kalb herbei, das sie seit Tagen hungern ließen und nun mit einer Speerspitze an der Schnauze bewehren. Das hungrige Jungtier, so erzählen die Minangkabau mit schelmischen Lächeln, stürmt auf den mächtigen Büffel und tötet ihn auf der Suche nach einem Euter durch Speerstiche in den Bauch.

Sowohl der Büffel als auch die Legende vom siegreichen Kalb sind identitätsstiftend. Als wichtigste Nutztiere prägen sie das Selbstverständnis der Minangkabau. So wie der starke Büffel den Kampf mit dem Kalb verliert, so haben auch die Männer bei den matrilinear organisierten Minangkabau traditionell weniger Mitspracherecht. Töchter erben Grundbesitz und auch im Privaten setzen Frauen die Themen. Bis heute leben die Minangkabau entsprechend ihrer traditionellen Gesellschaftsordnung, zu der auch Animismus und Ahnenkult gehören. Muslimische, hinduistische und buddhistische Ideen, die sich spätestens seit dem 13. Jahrhundert auf Sumatra ausbreiten, konnten zwar in das Leben eindringen, aber die herrschenden Traditionen nicht ablösen.

Minangkabau, Rumah Gadang,Sumatra
Wohnhäuser im traditionellen Stil der Minangkabau
Minangkabau, Rumah Gadang,Sumatra
Istana Pagaruyung, Minangkabau,Sumatra
der Königspalast der Minangkabau in Pagaruyung

Eine andere Version der Legende berichtet, dass die Javaner mit einem Tiger den Kampf antreten, der von seinem Gegner, dem Büffel der Minangkabau besiegt wird. Dieser Mythos gilt als Inspiration für die gehörnten Häuser im Hochland. So ein „Rumah Gadang“, wie es in der Sprache der Minangkabau genannt wird, ist Basis des familiären Zusammenlebens. Mehrere Generationen wohnen hier unter einem Dach.

Der Königspalast im Dorf Pagaruyung ist ein beeindruckendes Exemplar der traditionellen Bauweise. Mehrfach abgebrannt und wieder aufgebaut ist das hölzerne Gebäude heute eine grandiose Replik. Die charakteristischen, spitz nach oben gebogenen Giebel des verschachtelten Daches, ragen wie Büffelhörner in den Himmel. Darunter liegt viel königlicher Wohnraum. Schnitzereien und Farbverzierungen schmücken die Fassade. Im Inneren befinden sich die Schlafräume um einen großen gemeinschaftlichen Wohnraum verteilt. Hier hockt die Königsfamilie in mehreren Generationen und Verwandtschaftszweigen aufeinander. Das Stockwerk darüber gehört den unverheirateten Königstöchtern, während unter dem Dach die Waffen lagern. Hinter dem Palast und durch einen überdachten Gang zu erreichen, befindet sich das Küchengebäude. Auch ein gewaltiger Reisspeicher gehört zum Palast.

Obwohl die Königsfamilie bereits im frühen 19. Jahrhundert den Palast verlässt, ist er für die Minangkabau noch immer eines der wichtigsten Wahrzeichen ihrer Kultur und eine beliebte Attraktion. Sie lassen sich vom Gebäude und der eigenen Geschichte verzaubern, schlüpfen in traditionelle Kostüme, fotografieren sich gegenseitig in feierlichem Gewand. So lernen wir erst ein Paar aus Jakarta kennen, und anschließend zwei Studenten, die uns in die Geschichte der Minangkabau einführen.

Königspalast, Pagaruyung, Minangkabau, Sumatra
Fenster, Dekoration, Istana Pagaruyung, Minangkabau,Sumatra
traditionelle Kostüme, Königspalast, Pagaruyung, Minangkabau, Sumatra
einheimische Touristen in traditionellen Kostümen

Bukittinggi und die Padang Cuisine

Die Stadt Bukittinggi, ohne besonderen Charme ausgestattet, ist das heutige Handelszentrum der Minangkabau. Vom Königspalast in Pagaruyung ist sie 45 Kilometer und eine halbe Fahrt um den Berg Marapi entfernt. Ein Uhrenturm und Pferdekutschfahrten sind die schnell erzählten Attraktionen. Daneben führen überdachte Gassen in einen Markt, der zunächst vor allem Souvenirs anbietet, aber mit zunehmender Ausbreitung immer spannender wird. Erst recht, wenn Plastiknippes und Klamotten von frischem Obst und Gemüse, von Gewürzen und Wurzeln, Trockenfisch und Thunfischhälften, Zuckerrohr und Kokosraspeln abgelöst werden. Hier sind wir drin im Gewusel der Stadt und irgendwann stehen wir vor Imbissständen und Straßenrestaurants, die den Geschmack der Region portionieren.

Das Essen der Minangkabau ist als Padang food weit über die Ufer Sumatras hinaus berühmt. Nicht nur in Indonesien, sondern auch in Malaysia und Singapur gehört es zu den beliebtesten Küchen. Kokosmilch und Chili sind wesentliche Bestandteile, dazu kommen Currys und herzhafte Bratensoßen, die auf Einflüsse aus Indien und dem Nahen Osten zurückgehen. Dazu gibt’s Reis im Überfluss. Das Beste ist jedoch die Art des Essens: pur, natürlich, mit den Händen.

Bukittinggi, Blick auf die Stadt, Sumatra
Bukittinggi im Hochland Sumatras
Trockenfisch auf dem Markt, Bukittinggi, Sumatra, Indonesien
Trockenfisch auf dem Markt von Bukittinggi
Wurzeln und Kräuter auf dem Markt, Bukittinggi, Sumatra, Indonesien
Kräuter, Gewürze und Wurzeln

Die Essensstände auf dem Markt, die Nasi Kapau, präsentieren verschiedenen Gerichte in Töpfen und Schüsseln, aus denen die Hungrigen wählen können. In Padang-Restaurants läuft es etwas anders. Zuerst werden Wasserschälchen mit Zitronenscheibe bereitgestellt, in denen die Hände vor und nach dem Essen gereinigt werden. Das hat Stil. Dann kommen die Kellner und servieren. Bestellungen gibt es nicht. Alles, was die Küche hergibt, kommt portionsweise auf den Tisch. Dort stapeln sich die Teller, manchmal in Dutzenden. Fisch, Fleisch, Gemüse, Ei – alles in leckeren Gewürzen, Soßen, Suppen, Krusten. Wer hier isst, nimmt von der Auswahl nach eigener Vorliebe und zahlt am Ende die leer gegessenen Tellerchen.

Unter der enormen Vielfalt der Gerichte sticht eines besonders hervor. Rendang. Fleisch, meist vom Rind, das mit verschiedenen Obst- und Gemüsesorten über mehrere Stunden in Kokosmilch zartgekocht wird.

Schon weit vor und noch weit nach Bukittinggi erzählen uns die Menschen auf Sumatra von diesem kulinarischen Hochgenuss und natürlich lassen wir uns nicht lange bitten. Was sollen wir sagen? Rendang ist zum Fingerlecken gut.

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Gemüse auf dem Markt, Bukittinggi, Sumatra, Indonesien
frisches Gemüse vom Markt
Essensstand auf dem Markt, Bukittinggi, Sumatra, Indonesien
lokaler Essensstand auf dem Markt von Bukittinggi
Mann in Padang-Restaurant, Bukittinggi, Sumatra
volles kulinarisches Programm im Padang-Restaurant

Und jetzt du!

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