Guayaquil, Ecuador. Titel
Stadt der Leguane

Guayaquil


24. Juni 2021
Ecuador
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Langsam fließt das Wasser des Guayas an uns vorbei. Die braune Brühe im Flussbett ist schmutzig und stinkig und ich glaube fast, dass allein ihr Anblick uns krank machen könnte. Müll schwankt auf der Oberfläche wie kleine Schiffchen hin und her. Der Anblick des Flusses ist nicht einladend und dennoch würde ich mich gern in die dreckigen Fluten stürzen. Es ist heiß, unerträglich heiß hier in Guayaquil im Westen Ecuadors. Bloßes Nichtstun verlangt dem Körper alles ab.

Im ewig heißen Flachland des ecuadorianischen Küstengebietes bestimmt die Hitze den Tag. Nichts hält sie auf. Auf dem Malecón 2000, der neu gestalteten Uferpromenade in der Millionen-Metropole, drückt die feuchte Luft mit aller Kraft. Im Jahresdurchschnitt liegt sie bei knapp 76 Prozent, heute ganz sicher weit darüber. Nur wenige Menschen haben den Weg zum Fluss gefunden und ruhen unter schattigen Baumkronen. In einem Imbiss wird kühles Bier verkauft. Es hilft für einen kurzen Moment.

Noch vor ein paar Jahren hatte die Ufergegend einen zwielichtigen Ruf. Heiß war es damals schon und es ging auch heiß her. Die Promenade war verwahrlost, heruntergekommen. Das Ufer gehörten Ganoven, Dieben, Drogendealern und Prostituierten. Heute ist der Malecón 2000 Guayaquils Naherholungsgebiet. Museen, Restaurants, das erste IMAX Südamerikas, ein tropischer Garten; alles geht hier im modernen Design in einander über.

Da gibt es Aussichtstürme, die die vier Elemente präsentieren. Riesige Segel aus Holz und Metall sind entlang der Wege aufgestellt. Von Bürgern der Stadt finanziert würdigt ein Denkmal die Sponsoren des Projektes. Besonders nachts ist es beeindruckend. In der Dunkelheit prangen die Namen der Geldgeber auf großen, grün beleuchteten Platten. Hier sieht es beinahe so aus, als betreten wir mit Keanu Reeves die Matrix.

Doch auf dem Malecón feiert Guayaquil nicht nur sich selbst, sondern auch die Helden des Kontinentes. Die zweieinhalb Kilometer lange Promenade ist vollgestopft mit Monumenten und Statuen. In der sogenannten Rotonda reichen sich José de San Martín und Simón Bolívar, die beiden großen Befreier Südamerikas, lächelnd die Hände. Sie haben es geschafft. Um sie herum wehen die Flaggen der Staaten, für deren Unabhängigkeit sie in den Krieg zogen.

Malecón 2000, Guayaquil, Ecuador
Malecón 2000, Guayaquil, Ecuador
tropischer Garten am Malecón 2000, Guayaquil
tropischer Garten am Malecón 2000, Guayaquil

Santa Ana und Las Peñas

Weiter im Norden endet die Promenade am Fuß des Hügels Santa Ana. Hier befindet sich das Viertel Las Peñas. Ebenso wie der Uferbereich des Malecóns 2000 waren auch diese Gassen einst eine verruchte Gegend voller Spelunken und fragwürdiger Personen. Heute ist der ehemalige Slum komplett restauriert oder gentrifiziert. Das ist wohl Ansichtssache.

Die alte Struktur hat Las Peñas behalten. Kopfsteinpflaster ziert enge Gassen, Blumenkästen die schmalen Fußwege. Zwischen Wohnhäusern und farbenfrohen Kolonialgebäuden schlängeln sie den Hügel hinauf. Daneben führt eine Treppe bis nach oben. Die 444 Stufen, allesamt nummeriert, sind das Herz des Viertels. Restaurants, Bars und Diskotheken reihen sich hier Tür an Tür.

Besonders in der Abenddämmerung, wenn die Hitze des Tages allmählich nachlässt, ist die Treppe belebt. Dann erklimmen die Bewohner der Stadt die Stufen, aus den Bars ertönt Reggaeton, Bier und Rum benetzen durstige Kehlen. Jogger hetzen auf und ab.

Bei Stufe 177 blockiert eine gemütlich schwatzende Gruppe den Weg. Mit Stift und Papier in den Händen vergnügt sich die Nachbarschaft jeden Abend beim Bingo. Etwas weiter unten, auf Stufe 123 finden regelmäßig Couchsurfingtreffen statt. Unser Gastgeber Rafael führt uns in die Runde ein und schon bald sind wir mit gerade noch Fremden in angeregtem Plausch.

Am oberen Ende der Treppe strahlt ein Leuchtturm in die Dunkelheit hinaus. Unter uns erstrecken sich die Lichter der Stadt bis zum Horizont. Eine leichte Brise steigt vom Fluss auf und bringt in den Abendstunden die lange ersehnte Abkühlung.

Las Peñas ist Guayaquils Ausgehmeile und neben dem Malecón 2000 die größte Attraktion der Stadt. Auch tagsüber schlendern immer wieder Besucher durch die schmalen Gassen, doch bis ganz hinauf auf den Hügel Santa Ana ist es unter der brennenden Sonne doch zu anstrengend.

Las Peñas, Guayaquil, Ecuador
Las Peñas, Guayaquil, Ecuador
Las Peñas, Guayaquil, Ecuador
Blick auf Las Peñas und Santa Ana, Guayaquil, Ecuador
Blick vom Hügel Santa Ana auf Guayaquil, Ecuador

Zurück in der Stadt schneidet die Avenida 9 de Octubre durch das Zentrum. Sie ist die größte Geschäfts- und Einkaufsstraße; die Schlagader des nimmermüden Guayaquils. In Büros werden Hände geschüttelt und Verträge geschlossen. Ecuadors Wirtschaft ist hier zu Hause.

Auf halbem Weg vom Ufer des Guayas hinein in die Stadt befindet sich der Parque Centenario. Bäume spenden Schatten mit ausladenden Kronen. Auf den vielen Bänken dösen ältere Herren in der Mittagshitze. 

Kinder flitzen umher und ein einsamer Fotograf hofft darauf, hin und wieder für ein Porträt engagiert zu werden. Ein steifer Löwe und ein Tretauto sind seine Requisiten. Mit ihnen versucht er die Gunst der Kleinen und damit auch die der Großen zu gewinnen. Doch beide Lockmittel haben, ebenso wie der Fotograf mit seiner Kamera die beste Zeit bereits hinter sich.

Fotograf auf dem Parque Centenario, Guayaquil, Ecuador

Guayaquil und die Leguane

Nur ein paar Straßen entfernt verschlägt es uns zum Parque Seminario. Den kleinen Park mit dem Reiterdenkmal des Nationalhelden Bolívar, hätten wir beinahe übergangen, wären uns nicht diese grau-grünen Echsen aufgefallen.

Unzählige Leguane schleichen gemächlich über die Gehwege. Sie sitzen wie kleine Drachen in Bäumen, sonnen sich im Gras oder schmatzen auf Bananenschalen herum. Wo überall auf der Welt Tauben die Blicke auf sich ziehen, sind es im Parque Seminario urzeitliche Kriechtiere.

Es ist ein sonderbarer Anblick, wie die Leguane ohne Scheu durch den Park spazieren. Sie sind so zahm, dass sie sich sogar anfassen und streicheln lassen. Ein Vergnügen, das große und kleine Kinder in ihren Bann zieht.

Wir verbringen Stunden im Park und können uns trotzdem kaum an den Reptilien sattsehen. Mit Salatblättern füttern wir schuppige Mäuler und sind fasziniert von der Unbekümmertheit der Tiere. Die Hitze in der Stadt scheint den Leguanen nichts auszumachen. Im Gegenteil. Sie liegen oft faul in der Gegend herum, recken nur gelegentlich ihre Köpfe gen Himmel, mampfen Salatblätter und staksen ab und an von einer Rasenfläche zur nächsten. Wir dagegen können dem Wetter in Guayaquil nicht länger standhalten und fliehen an die kühlere Pazifikküste.

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Leguan im Parque Seminario, Guayaquil, Ecuador
Leguan im Parque Seminario, Guayaquil, Ecuador
junge Frau und Leguan im Parque Seminario, Guayaquil, Ecuador
Leguan im Parque Seminario, Guayaquil, Ecuador

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