Garmeh, Iran
Gestrandet in stiller Abgeschiedenheit

Garmeh – Wüstenoase in der Dasht-e Kavir


29. Januar 2017
Iran
6 Kommentare

Ich träume. Die weite, sandige Wüste umgibt mich. Unerträgliche Hitze liegt trocken und schwer auf meinem Körper. Da sind Kamele und am Horizont wächst eine Oase heran. Je näher ich komme, desto größer werden die Palmen, desto saftiger leuchten die in großen Trauben hängenden Datteln. Wasser plätschert sacht aus einer Quelle. Durstig beuge ich mich darüber – und öffne die Augen.

Die Oase verblasst vor meinem inneren Auge. Stattdessen finde ich mich in einem verbeulten LKW wieder. Hier und da schmücken ein paar Rostflecken die Karosserie unseres Gefährts. Doch so ordinär der Laster von außen aussieht, so behaglich ist sein Inneres. In den Fußbereichen liegen weiche Teppiche, die wir nicht mit unseren Schuhen betreten dürfen. Stattdessen lehnen unsere Wanderstiefel an der Beifahrertür, während wir es uns in der Fahrerkabine bequem machen. Dort, wo sich hinter dem Fahrersitz normalerweise das Bett des LKW-Fahrers befindet, sitzen wir auf einer mit Auslegware verkleideten Plattform, der selbst der Beifahrersitz zum Opfer gefallen ist. Ausgebreitete Wolldecken sorgen für noch mehr Behaglichkeit. Wir fühlen uns beinahe wie auf den weichen Perserteppichen in den von uns liebgewonnenen iranischen Wohnzimmern. Egal ob im Schneidersitz oder mit ausgestreckten Beinen – es ist genug Platz für jede erdenkliche Sitz- und Liegeposition. In einer Ecke befindet sich eine große Kühlbox voller Lebensmittel. Daneben liegt eine weiße Plastiktüte prall gefüllt mit kleinen Gurken, die wir ab und an während der Fahrt knabbern. Gemütlich brausen wir so von der alten Handelsstadt Yazd kommend durch die iranische Salzwüste Dasht-e Kavir, bis wir die etwa 400 Kilometer entfernte Kleinstadt Khur mitten in der Wüste erreichen.

Wüste Kavir, Iran
im LKW durch die Dasht-e Kavir
Per Anhalter durch die Wüste Kavir, Iran
Per Anhalter durch die Wüste Kavir, Iran
Per Anhalter durch die Wüste

Unser Fahrer, ein magerer Kerl mit stoppeligem Bartwuchs auf der wettergegerbten Haut mustert uns immer wieder mit freundlicher Neugierde. Seine Stirn, die bis auf die Mitte des Kopfes führt, umspielt schütteres Haar. Nicht besonders gesprächig, aber stetig lächelnd, versorgt er uns nicht nur mit saftigen Gurken, sondern auch mit ausgezeichneten Datteln. Viel leere Weite streicht an unseren Fenstern vorbei. Ab und an winken trockene, gelblich-braune Büschel mit ihren dünnen Ärmchen zum Gruß. Nach einer halbtägigen Reise erreichen wir Khur. Wir steigen an einer staubigen Straße aus und sehen den tonnenschweren Laster hinter der nächsten Kurve verschwinden.

In der 6.000-Einwohner Stadt Khur warten wir hinter einem großen Kreisverkehr am Straßenrand und lange Zeit passiert absolut nichts. In der Nachmittagssonne scheint hier alles stehen geblieben zu sein. Die Zeit, die Luft, die Geschäftigkeit – nichts regt sich.

Dann endlich, als die Sonne bereits merklich dem Horizont entgegen sinkt, nähert sich ein Fahrzeug. In dem weißen PKW sitzen zwei junge Männer in ihren Zwanzigern. Beide sehen aus, als kämen sie gerade von einem gemeinsamen Bodybuilder-Workout. Muskelbepackte Arme schieben Sonnenbrillen in gegeltes Haar zurück. Dreißig Zentimeter tiefer quillt schwarzes Brusthaar aus geöffneten Hemden und weiten T-Shirts.

Per Anhalter durch die Wüste Kavir, Iran
unsere Mitfahrgelegenheit nach Garmeh
Wüste Kavir, Garmeh, Iran
der Weg nach Garmeh

Doch hinter dem proletenhaften Äußeren stecken nette und redselige Jungs, die es ganz besonders lustig finden uns im Nirgendwo der Wüste aufzulesen. Eine halbe Stunde fahren wir durch die Dasht-e Kavir, bevor wir unser Ziel die Oase Garmeh erreichen. Nicht einmal 300 Menschen leben hier in der Oase und sie teilen den Komfort von Dattelpalmen und Quellwasser mit 20 Ziegen und zwei Dromedaren. Im Dunkeln wandern wir durch die leeren Gassen des Dorfes und stehen bald vor der geschwungenen Fassade eines zweistöckigen, lehmverputzten Hauses. Durch die leicht geöffnete Holztür dringt warmes Licht heraus in die kalte Wüstennacht. Jetzt im Januar sinkt das Quecksilber nach Sonnenuntergang sogar bis an den Gefrierpunkt. Aber auch an den beständig sonnigen Wintertagen wird es hier kaum wärmer als 15°C.

Wir klopfen an die Tür und werden von einem jungen Mann herein gebeten. Dicke, weiche Teppiche schmücken den Boden im einzigen Gasthaus des Dorfes. Als Willkommensgruß serviert uns der junge Mann lächelnd Dattelkekse und Chai, an dem wir unsere Hände wärmen. Das Gasthaus ist ein orientalischer Traum, kredenzt in feiner Lehmhausarchitektur. Der Aufenthaltsraum ist mit eleganten Perserteppichen ausgelegt. Auf weichen Sitzkissen entlang der Wände räkeln sich ein paar Gäste gemütlich. Warmes Licht durchflutet den Raum und färbt die Lehmwände in leichtes Orange. Stoffvorhänge fallen dekorativ von der Decke. Wir sitzen in einer kleinen Nische, gebannt von der Szene, die so viel Behaglichkeit ausstrahlt.

Wüstenoase Garmeh, Iran
das Gasthaus und die Ziegen am nächsten Morgen

Dann treffen wir den Wirt und merken nach einem kurzen, freundlichen Gespräch, dass unsere Preisvorstellungen nicht miteinander übereinstimmen. Die Monopolstellung im Gewerbe nutzt der Mann schamlos aus und wir kehren aus der Behaglichkeit zurück in die kalte Nacht. Ein paar Ziegen starren mit ihren Glubschaugen zu uns herüber.

Wir sind gerade dabei einen Platz für unser Zelt zu finden, als sich schnelle Schritte hinter uns nähern. Aus einer dunklen Gasse tritt der junge Mann hervor, der uns soeben noch Tee servierte. Etwas geheimnisvoll, agentengleich, flüstert er uns zu, dass es ein zweites Gebäude gäbe, das ebenfalls zum Gasthaus gehört und momentan, in der Nebensaison, ungenutzt sei. Wenn wir wollten, könne er uns für etwas Geld unter der Hand dort einquartieren. Die Konditionen sind gut. Unser neues Apartment schmücken ebenfalls dicke Teppiche und weiche Matratzen, eine Petroleumheizung vertreibt die eisige Kälte und im Eingangsbereich des langgezogenen Lehmziegelraumes befindet sich sogar eine kleine Küchenzeile. Wir retten mit unserem Einzug auch noch eine junge Katze, die versehentlich seit ein paar Tagen hier eingeschlossen und bereits erbärmlich abgemagert ist. Mit kläglichem Miauen macht das Tier auf seine prekäre Situation aufmerksam. Vorwurfsvolle Katzenaugen blicken uns strafend an. Doch als wir das Tier ins Freie entlassen, huscht es schnell in der Dunkelheit davon. Es herrscht Stille und unter wärmenden Wolldecken schlummern wir bald seelenruhig vor uns hin.

Als wir am nächsten Morgen erwachen, ist die Sonne schon lange aufgegangen. Noch immer ist es unglaublich still. Vor unserer Wohnungstür führt eine Lehmtreppe hinauf auf das Dach unserer Unterkunft und von oben verschaffen wir uns einen ersten Überblick.

Wüstenoase Garmeh, Iran
Blick über die Dächer von Garmeh
Lehmbauten, Garmeh
Lehmbauten in Garmeh

Kuppeln, Bögen und Mauern, teils erodiert und in sich zusammengefallen, umgeben uns. Nebenan drücken sich Palmen um eine niedrige Gesteinsformation. Dahinter erstreckt sich die Dasht-e Kavir, die große Salzwüste, bis zum Horizont über das iranische Hochplateau. Eingebettet zwischen Elbrus-Gebirge im Norden und Zagros-Gebirge im Westen spannt sie sich über den Grund eines urzeitlichen Binnenmeeres. Ausgespülte Minerale aus den Bergen versalzten das Gewässer, das schließlich über die Jahrtausende austrocknete. Was blieb war eine sterile, lebensfeindliche Wüste, die Dasht-e Kavir. Auf einer Fläche die Schottland mit samt seinen Highlands verschlucken könnte, dringt kaum ein Geräusch zu uns herüber. Tatsächlich ist es so still, dass selbst wir kaum wagen uns zu unterhalten. In der Abgeschiedenheit wird jedes Wort überflüssig, der Gebrauch von Sprache obsolet.

Auf dem Dach wärmt die Sonne unsere Glieder, doch in den schmalen Gassen des Ortes ist es noch immer kühl. Die Häuser in Garmeh stehen so nah beieinander, dass erst gegen Mittag die Schatten aus dem Dorf verschwinden. Bei unserem Spaziergang durch die Oase entdecken wir nicht einen einzigen Bewohner. Allein eine gefleckte Katze auf einem Mauersims nimmt von unserer Anwesenheit Notiz.

Lehmhütten in Garmeh, Iran
in den Straßen von Garmeh
Wüstenoase Garmeh, Iran
die Stille in der Oase
Auto vor Lehmgebäude, Garmeh, Iran
Straßenszene in Garmeh

Es dauert nicht lange, bis wir das Dorf der Länge nach durchschritten haben. Viele Häuser sind in einem kläglichen Zustand. Lehmmauern bröckeln auseinander oder neigen sich in einem bedenklichen Winkel, tiefe Risse ziehen sich durch Wände. Häuser, die nicht in Stand gehalten werden, kollabieren. Lehm und Sand verwandelt sich zurück in Wüste. Telegraphenmasten halten Stromkabel über den Gassen und verteilen Elektrizität in die noch intakten Wohnungen. Ziegen starren uns vom Wegrand an. Ein Hund begleitet uns seit ein paar Metern und tut schon jetzt so als seien wir unzertrennliche Freunde.

Hinter dem Dorf wachsen hunderte Dattelpalmen in den Himmel. Seit jeher bilden sie die ökonomische Grundlage der Oase. Jede Familie des Ortes besitzt einen Garten oder eine Plantage und erntet regelmäßig die süßen, klebrigen Früchte. Niedrige Lehmmauern trennen die verschiedengroßen Parzellen voneinander, die mit einem gemauerten Kanalsystem und unter Zuhilfenahme mehrerer Stauventile bewässert werden. Feine Kieselsteine knirschen unter unseren Füßen, als wir über schmale Pfade und Straßen durch die Palmenhaine wandern. Dorniges Gestrüpp wuchert am Wegrand. Mittlerweile steht die Sonne weit oben am Himmel. Es sind gerade einmal 12°C und dennoch wärmt uns die Kraft ihrer Strahlen so sehr, dass wir unter unseren Jacken zu schwitzen beginnen.

Dattelplantage, Garmeh, Iran
Dattelplantage in der Wüstenoase Garmeh
Dattelpalme, Garmeh, Iran
Dattelpalme mit Früchten

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zum Buch

Wüstenoase Garmeh, Iran
Spaziergang durch die Wüstenoase

Zwischen den Palmen erblicken wir endlich die ersten Bewohner Garmehs, die sich auf ihrem Landbesitz nützlich machen, oder mit einem Traktor und viel Erde die Wege ausbessern. Seit 1.500 Jahren ist die Oase in der Dasht-e Kavir bereits bevölkert. Abgelegen in der Wüste, umgeben von trockenem Wüstenwind, Staub, Sand und Felsen. Bis zur alten Handelsstadt Yazd, im Herzen des Landes zwischen den beiden großen iranischen Wüsten Dasht-e Kavir und Dasht-e Lut gelegen, sind es auf direktem Weg 300 Kilometer.

Die Palmengärten und Felder schmiegen sich an einen Felsen, der nicht besonders gewaltig wirkt und dennoch die Oase um einiges überragt. Im Gestein finden wir eine kleine Höhle. Kühles, klares Wasser sprudelt hier sacht aus dem Inneren des Massivs. Es ist die Quelle, die Garmeh das Leben schenkt. Ein gemauerter Kanal führt das Wasser hinaus aus der Höhle und einige Meter weit ins Freie. Hier waschen die Frauen des Dorfes ihre Wäsche; von hier fließt das Wasser weiter zu den Gärten und Plantagen. Als wir den Kanal erreichen, beginnt die Quelle mit uns zu sprechen. Wir erkennen einen alten Mann, der sich in der Höhle gerade der Körperpflege hingibt. Nackte Haut blitzt hervor, als er uns bedeutet in einiger Entfernung auf das Ende seines Bades zu warten.

Wir spazieren umher und als wir zur Quelle zurückkommen, sehen wir den Alten gerade noch zwischen den Palmen in Richtung Siedlung verschwinden. Hunderte kleine Fische tummeln sich im Wasser der Quelle. Sie gehören zur Gattung der Garra Rufa, der rötlichen Saugbarbe, und sind Spezialisten in Sachen Fußpflege. Erst zögerlich, dann aber mit immer mehr Zutrauen knabbern sie an im Wasser baumelnden Füßen. An Hacken, Knöcheln und zwischen den Zehen entfernen sie so Hornhautschuppen. Das natürliche Raspeln der Fischmäuler kitzelt und zwickt auf der Haut, dennoch nehmen wir die kosmetische Behandlung in der schattigen Höhle gerne an.

Garmeh, Iran
die Quelle der Wüstenoase Garmeh entspringt einem Felsen
Garmeh, Iran
Quelle, Garmeh, Iran
Blick aus der Quelle

Draußen vor der Quelle treffen wir wieder auf die Wüste. Unendlich weit erstreckt sie sich zwischen den gelegentlich auftauchenden Felsen bis zum Horizont. In der Nähe machen wir es uns auf einer von Wind und Sand verwitterten Mauer bequem. Unser Blick geht hinaus in die Dasht-e Kavir. Ein paar wenige dürre Sträucher wachsen im trockenen, verkrusteten Boden.

Garmeh eignet sich perfekt zum stoischen Nichtstun. Ein entspanntes Dorf mit Aussicht auf die Wüste. Unterhaltungsmöglichkeiten sucht man hier vergebens. Stress und Hektik haben es noch nie durch die salzige Ebene bis hierher geschafft. Wir schlendern zwischen den Palmenhainen umher. Die weitgefächerten Blätter spenden uns etwas Schatten unter der sengenden Sonne.

Wüstenoase Garmeh, Iran
Blick in die Wüste
Wüstenoase Garmeh, Iran

Wir erreichen Garmeh am anderen Ende des Dorfes, dort wo eine kleine Moschee auf einer Anhöhe über der Siedlung wacht. Eine flache, mit blauen Kacheln und weißen arabischen Schriftzügen versehene Kuppel thront auf dem kastenförmigen Gebäude. Verglichen mit den imposanten religiösen Gebäuden, die überall im Iran zu finden sind, ist Garmehs Moschee sehr spartanisch. Auch das gehört zur Abgeschiedenheit des Ortes. Hier gab es niemals einen Herrscher, der sich mit prächtigen Bauten selbst in Szene setzen wollte.

Hinter der Moschee befinden sich ein paar Reisfelder, deren trockene Erde sehnsüchtig auf Wasser wartet. Wenn man will, hat man in einer Stunde alles, wirklich alles gesehen, was es in dieser Oase zu sehen gibt. Dennoch können wir uns nicht lösen. Die ungestörte Ruhe, das entspannte Ambiente, geprägt von Jahrhunderte alter Wüstenweisheit, lassen uns nicht ziehen. Zu friedlich streunen Ziege und Hunde durch den Ort, zu gemächlich widerkäuen die Dromedare im Vorhof des Gasthauses, zu einladend ist das Lächeln des jungen Mannes, der uns heimlich hier einquartiert hat und jeden Abend mit etwas Petroleum für die Heizung versorgt.

Wüstenoase Garmeh, Iran
die Moschee in Garmeh
Wüstenoase Garmeh, Iran
Felder und Palmen in der Oase
Wüstenoase Garmeh, Iran

An einem dieser Tage beschließen wir hinaus in die Wüste zu gehen. Immer geradeaus. Wir legen uns einen Wasservorrat zu, packen ein paar Datteln und dicke Decken in unsere Rucksäcke und ziehen los. Wir wollen den Sternenhimmel in der Dasht-e Kavir bewundern; die leuchtende Nacht ohne irdische Lichtverschmutzung sehen.

Wir überqueren die von tiefen Rissen durchfurchte Asphaltstraße, die Garmeh mit dem Rest der Welt verbindet und betreten die Wüste. Spröde Erde bröckelt unter unseren Füßen, als wir die Oase hinter uns lassen. Salze kleben wie ein weißer Teppich auf dem braunen Untergrund. Zwei rostende Fußballtore stehen einsam und verlassen in der Weite der Wüste. Wolken ziehen am Horizont auf.

Immer weiter stapfen wir über den unebenen, vom Wind geformten Wüstenboden – eine Stunde, zwei, stetig vorwärts. Trotzdem scheinen wir kaum voran zu kommen. Garmeh, noch immer sichtbar, erhebt sich in einiger Entfernung vom Wüstenboden. In der weiten Ebene erscheinen Distanzen viel kürzer, als sie es eigentlich sind. Rebellisch trotzen zähe, dürre Büschel vereinzelt der Lebensfeindlichkeit ihrer Umgebung. Kurz bevor es dämmert schlagen wir unser Zelt auf. Als die Sonne sich dem Horizont neigt, wird es merklich kühl. Der Wind frischt auf und wirbelt feinen Sand um unser Zelt. Die Wolkendecke über uns wird dichter. Nur im Westen, dort wo die Sonne hinter dem Horizont versinkt, ist es noch immer klar. Leuchtend orange verschwindet der Himmelskörper aus unserem Sichtfeld und die Nacht bricht herein.

Wüstenoase Garmeh, Iran
die Wüstenoase Garmeh
Salzwüste Kavir, Iran
hinter der Straße beginnt die Salzwüste
Dasht-e Kavir, Iran
ausgetrockneter Boden in der Dasht-e Kavir

Mittlerweile ist es so bewölkt, dass nur gelegentlich ein paar Sterne zu uns hinunter blinzeln. Der Lichtkegel über Garmeh erstrahlt in der Ferne. Es ist still, so unglaublich still und plötzlich ist er da, der Wüstenmoment. Mitten in der Stille schärft sich unser Gehör. Jedes noch so kleine Geräusch nehmen wir verstärkt wahr. Das leichte Ruckeln des Windes an der Zeltplane klingt wie ein Orkan. Der Herzschlag in meinem Inneren dröhnt wie die Pauke bei Richard Strauss – episch!

In unsere Schlafsäcke und dicke Decken gewickelt, sitzen wir vor unserem Zelt, gedankenverloren und Datteln knabbernd. Die große leere Weite liegt vor uns. Es ist bitterkalt. Kleine Sandkörner wehen um uns herum und für eine endlos lange Zeit, die vielleicht nur ein paar Sekunden dauert, befinden wir uns allein in diesem Moment.

Salzwüste Dasht-e Kavir, Iran
Abends in der Salzwüste
zelten in der Dasht-e Kavir, Iran
zelten in der Dasht-e Kavir

Am nächsten Morgen kehren wir aus der Wüste zurück und verlassen Garmeh erneut in Richtung Yazd. Telegraphenmasten flankieren die Straße über der das gleißende Licht der Vormittagssonne strahlt. Bis nach Khur, der nächstgrößeren Stadt, werden wir von einem ehemaligen Bewohner der Oase mitgenommen. Der Mittvierziger wuchs in den schmalen Gassen Garmehs auf und noch heute leben seine Eltern in einem der Lehmhäuser im Dorf. Er selbst besitzt Familie, Haus und Geschäft in Khur. Als wir ihm von unserer Reise erzählen, ist er ganz aufgeregt – vor allem, weil er sich nicht vorstellen kann, dass wir ihm die Wahrheit erzählen. In Khur wird die Sache dann besonders verzwickt, als unser Fahrer unbedingt ein Geschäft zwischen uns und einem der lokalen Taxifahrer einfädeln will. Zum Glück sieht wenigstens der Taxifahrer ein, dass er in uns keine Kunden gewinnen kann.

trampen, Iran
Mitfahrgelegenheit nach Khur

Am Stadtrand von Khur lässt die nächste Mitfahrgelegenheit nicht lange auf sich warten. Ein junger Mann mit seiner Familie ist durchaus begeistert, uns zu helfen. Dass er hier mitten in der Wüste zwei europäische Touristen, die auch noch per Anhalter reisen, trifft, ruft in ihm die ganze iranische Gastfreundschaft hervor. Obwohl das Auto eigentlich voll belegt ist, wird für uns und unser Gepäck unverzüglich Platz geschaffen. Koffer werden umgestapelt und Sitzpositionen verändert. Zwischenzeitlich wirkt es so, als ob der junge Mann überlege, welches seiner Familienmitglieder er am Straßenrand zurücklassen könnte, damit wir es etwas bequemer haben. Doch mit etwas Geschick ist für alle Platz und gemeinsam fahren wir ins rund 50 Kilometer entfernte Bayazeh.

Dort angekommen bedankt sich die ganze Familie dafür, dass wir mit ihnen gefahren sind und uns plagt ein schlechtes Gewissen, weil sie es ohne uns wesentlich angenehmer gehabt hätten. An der Straße nach Yazd haben wir Glück. Zwei LKWs parken am Straßenrand und ihre drei Fahrer machen gemeinsam eine Teepause. So wie wir wollen auch sie nach Yazd und gemeinsam setzen wir unseren Weg fort.

Vor uns liegen 260 Wüstenkilometer. Eine langgestreckte asphaltierte Straße und viel braune, brüchige Erde. Die Dasht-e Kavir zeigt sich hier in ihrer ganzen, weiten, leeren Pracht. Graubrauner Fels und rissiger Boden ziehen über Kilometer an uns vorbei. Auf halber Strecke halten wir in einer Parkbucht. Es ist Zeit für das Mittagessen: Fladenbrot und Halva, eine Süßigkeit aus Mehl und Zucker. Auf einer großen Decke machen wir es uns im Windschatten eines der LKWs gemütlich und laben uns an der süßen Mahlzeit.

per Anhalter durch die Wüste, Iran
per Anhalter durch die Wüste
trampen, Iran
Mitfahrgelegenheit nach Bayazeh
Dasht-e Kavir, Iran
Dasht-e Kavir
trampen, Iran
Mittagspause auf dem Weg nach Yazd

Um uns erstreckt sich die Dasht-e Kavir als Geröllwüste in die Weite. Kiesel, Schutt und faustgroße Steine bedecken den staubig-felsigen Untergrund. Dazwischen wachsen immer wieder die trockenen, dürren Büschel, ohne sich jedoch zu weit über das Gestein hinaus zu wagen. Am Horizont ragen bereits die Ausläufer des Zāgros-Gebirges empor. Immer wieder tauchen gemauerte Türöffnungen in unmittelbarer Nähe der Straße auf. Dahinter führen Stufen in unterirdische Zisternen, in denen Wasser für die Bewohner der Wüste aufbewahrt wird. Lediglich die mit zahlreichen Graffitis beschmierten Deckenkuppeln der Speicher sind an der Erdoberfläche sichtbar. Windtürme führen selbst den geringsten Luftstrom hinab und sorgen so für eine notwendige Ventilation unter der Erde.

Dasht-e Kavir, Iran
unterirdische Zisterne in der Dasht-e Kavir

Erst gegen Abend erreichen wir Yazd. Die stundenlange Reise durch die Wüste hat ihre Spuren hinterlassen. Wir sind kaputt, dehydriert und unglaublich hungrig. Heißer Chai, cremiger Dattelmilchshake und leckerer Kamelfleischeintopf, eine Delikatesse in Yazd, retten uns. Wir speisen fürstlich auf den für die Wüste so typischen hölzernen Emporen, den Tachts, sitzend. Auf weichen, länglichen Sitzkissen machen wir es uns mit wohlig gefüllten Bäuchen bequem und rutschen, Sultan gleich, in eine halbliegende Position. Welch luxuriöses Gefühl der Herrlichkeit! Der schwere Rauch einer Wasserpfeife wabert um unsere Köpfe, umhüllt unsere ohnehin schon müden Gedanken und ohne es richtig zu begreifen, sinken wir in unsere vorerst letzte Nacht in der Wüste.

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Dasht-e Kavir, Iran

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  • 31. Januar 2017

    Hallo Rochssare und Morten,

    bei euren Berichten über den Iran werden viele Erinnerungen wach. Ich war selbst 2011 und 2012 dort. Und ich will auch kommendes Jahr dort hinfahren. Wie seit ihr auf die Oase Garmeh aufmerksam geworden?

    Viele Grüße


    • Morten & Rochssare
      31. Januar 2017

      Wir sind durch den LP auf Garmeh aufmerksam geworden, aber auch in Yazd hatte man uns von der kleinen Siedlung erzählt. Im Winter ist die Oase ein phantastischer Ort, um Stille und Abgeschiedenheit zu genießen. Vielleicht ist das in anderen Monaten etwas anders, aber vermutlich liegt Garmeh ganzjährig abseits der ausgetretenen Pfade.


  • Markus Haussmann
    4. Oktober 2018

    Schön zu lesen, ich habe mit meiner Familie im August / September 2016 einen Roadtrip durch den Iran mit dem Mietwagen gemacht, 5500km in 18 Tagen 😉 An der Quelle in Garmeh sind wir auch gesessen, In Nayband haben wir gezeltet.
    Schöne Erinnerungen an ein tolles Land mit unglaublich freundlicher Bevölkerung.


    • Morten & Rochssare
      4. Oktober 2018

      Na da habt ihr ja einige Kilometer abgerissen 😉 Auch wir erinnern uns immer wieder gerne an den Iran zurück. Natürlich vor allem an die wahnsinnige Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Menschen.