Am Anfang haben wir uns gewundert. 27 Konditoren und 7,5 Tonnen Schokolade. Das ist schon eine übertriebene Ausgangssituation. Was machen die mit all dem süßen Zeug? Damit ihr versteht, um was es geht: Das sind 75.000 Schokoladentafeln oder 40.200.000 Kalorien. Es könnte auch der durchschnittliche schokoladige Jahres-Pro-Kopf-Absatz von Berlin sein, wenn da nur 3.000 Menschen leben würden.
Die Konditoren haben jedenfalls eine Idee. Pünktlich zum Osterfest 2013 bauen sie ein gigantisches Schokoladenosterei in die malerische Kulisse der argentinischen Stadt Bariloche. Nach zwei Wochen des Konditorierens ist das Projekt fertig. Das Schokoei misst knappe 9 Meter. Schaffenskraft und Schokolade vereinen sich zum Weltrekord.
Doch damit nicht genug der Schokoladenzauberkunst. Argentinier mögen keine halben Sachen und präsentieren mit großem Trara den vermeintlich längsten Schokoriegel der Welt obendrauf.
Bariloche ist auch abseits anvisierter Weltrekorde berühmt für herausragende Schokolade. Sie ist quasi die Schokoladenstadt Argentiniens. Das wissen wir bereits seit unseren ersten Tagen im südamerikanischen Land. Das meistverkaufte Speiseeis heißt hier zweifellos: Chocolate de Bariloche.
Die Schokoladenstadt Bariloche
An jeder Straßenecke öffnet in Bariloche ein riesiges Schokoladenfachgeschäft seine Türen. Hier wird alles verkauft, was sich in der feinen Süßigkeit darstellen lässt. Vom Werkzeugset bis Mickey Mouse. Trüffel und Pralinen liegen in üppigen Mengen in meterlangen Vitrinen. Schachtelweise werden die Leckereien über Theken gereicht.
Im Schokoladenmuseum schlürfen wir heiße Schokolade; ganz gemütlich, so wie es sich gehört. Hier werden wir auch über die positiven Eigenschaften des Kakaos informiert. Schokolade macht glücklich, wirkt aphrodisierend und bringt den Kreislauf in Schwung. Wenn das so ist: Mehr davon!
Es gibt allerdings auch andere Möglichkeit, Geld in Bariloche auf den Kopf zu hauen. Also, natürlich könnten wir alles für Schokolade verjubeln. Keine Frage. Aber auch Betreiber von Boutiquen, Restaurants und Souvenirshops wollen etwas verdienen. In den Straßen des Zentrums quetschen sie sich in die Lücken, die ihnen die Schokoladenfachgeschäfte gewähren.
Darüber freut sich vor allem die argentinische Schickeria, die hier liebend gern den Jahresurlaub verbringt. Das Nachtleben Bariloches ist berüchtigt und wird von unzähligen feierfreudigen Abiturienten bestimmt, die aus dem ganzen Land hierher pilgern.
Bariloche und die argentinische Schweiz
Wer irgendwann – warum auch immer – die Nase voll hat von all der Nascherei und dem vielen Bier, begibt sich in die nahe Umgebung. Denn hier lassen sich einige der spektakulärsten Aussichten bewundern, die Patagonien zu bieten hat.
Da ist zum Beispiel der atemberaubende Blick vom Cerro Campanario. Weite, grüne Wälder, leuchtend blaue Seen, kleine und große Inseln und die massiven Anden liegen wie gemalt vor uns.
Vom Cerro Catedral, Bariloches Skiresort, schweift der Blick über eine zerklüftete Felslandschaft. Im Winter stürzen sich hier Hunderte Skifahrer und Snowboarder die Pisten hinunter. Noch liegt jedoch kein Schnee und statt in strahlendem Weiß erheben sich die Berge in Grau- und Beigetönen. Dunkelrot leuchtet das Laub der Bäume an den Hängen der Anden. Es ist eine Landschaft, die gern auch als argentinische Schweiz bezeichnet wird.
Bereits in Bariloche, idyllisch am Ufer des Sees Nahuel Huapi gelegen, befinden sich zwischen klobigen Hotelgebäuden im 70er-Jahre-Schick einige sehr ansehnliche Holzhäuser im Alpenstil. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts übten Deutsche, Schweizer und Österreicher großen Einfluss auf den Ort aus. Dieser spiegelt sich nicht nur in der Architektur wider. Restaurants locken mit leckerem Käse-Fondue und die beste Eisdiele der Stadt heißt Tante Frida.
Zum argentinischen Alpenfeeling gehören auch riesige, zottelige Bernhardiner, die mit blutunterlaufenen Augen und Schnapsfässchen unterm Kinn jedem Familienurlaubsfoto das Sahnehäubchen aufsetzen. Diese Dekoration gibt es natürlich nur für einen Aufpreis. Schokolade wird nicht akzeptiert.
Schweizer Flair in Patagonien
Beispielhaft für die Alpenimigration ist die kleine Gemeinde Colonia Suiza – ein Ebenbild der Schweiz, zumindest nach argentinischen Vorstellungen. Eine Handvoll nett anzusehender Holzhäuser und ein Restaurant namens Heidi sind jedoch die einzigen erkennbaren Hinweise auf die neutrale Alpennation.
Im städtisch geschützten Park Llao-Llao wandern wir ein paar Stunden durch die Wälder, die wir bereits vom Cerro Campanario aus der Ferne bewundern durften. Zwischen riesigen Bäumen säumen auch Bambusgewächse unseren Weg. Geformt vom ewig wehenden, patagonischen Wind hängen sie wie ein natürliches Dach über dem Pfad.
Die roten Stämme der Myrten scheinen durch das Unterholz, während wir am Ufer eines Sees wandern. Aus dem dichten Wald heraus öffnen sich uns immer wieder Ausblicke auf kleine Inseln, die hier und da aus dem Wasser ragen.
Hitler in Argentinien
Eine dieser Inseln, so erzählen es sich die Menschen in der Gegend, habe eine besondere Vergangenheit. Verschiedene Theorien geistern durch den Raum, die von Deutschland, den Nazis und einem gewissen Adolf H. berichten.
Es heißt, dass der kleine Mann mit Schnubbi nach dem Krieg in einem U-Boot bis nach Buenos Aires und von dort weiter nach Bariloche entkam. Hier, in der argentinischen Schweiz, gefiel es ihm so gut, dass er sich eine riesige Villa auf einer vom argentinischen Militär bewachten Insel bauen ließ und friedlich bis in die 1960er-Jahre lebte.
Vermeintliche Augenzeugenberichte und einige veröffentlichte Bücher haben diese Idee in den Köpfen der Argentinier fest verankert. Wer die Legende bezweifelt, wird immer wieder mit derselben Frage konfrontiert: Wo sind die Beweise für den angeblichen Selbstmord und wo zum Teufel ist die Leiche? Ein argentinisches Sprichwort beschreibt die Sicht der Dinge: „Si no hay cuerpo, no hay muerto“ – Ohne Leiche kein Toter. So einfach ist das. Könnte fast eine Ostergeschichte sein.
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Aus dem hohen Norden Deutschlands hinaus in die Welt: 2011 zieht es Morten und Rochssare für zwei Jahre per Anhalter und mit Couchsurfing auf den südamerikanischen Kontinent. Genauso geht es nun weiter. Jetzt jedoch in die andere Richtung. Seit 2014 trampen die beiden auf dem Landweg von Deutschland nach Indien und weiter nach Südostasien. Es gibt noch viel zu entdecken.
Von ihren Abenteuern und Begegnungen erzählen sie in ihren Büchern „Per Anhalter durch Südamerika“ und „Per Anhalter nach Indien“, jeweils erschienen in der National Geographic Reihe bei Malik.
Hey Morten und Rochssare,
eurer Buch Götter, Gurus und Gewürze ist echt toll.
Man erfährt Dinge über Indien die man überhaupt nicht wusste von denen man noch nie was gehört hat.
Erfolg bei euren Büchern und euren Reisen.
Viele Grüße
Jenny