Das Schauspiel beginnt im Morgengrauen. Dutzende in bunte Stoffe gehüllte Frauen schleppen ihre Waren auf den Marktplatz in Bac Ha. Vollbeladene Motorräder knattern herbei und selbst Pferde tragen kiloschwere Lasten aus den umliegenden Bergen hinab ins Zentrum des kleinen Städtchens. Es ist Sonntag – Markttag – und für ein paar Stunden herrscht in Bac Ha, ein eigentlich verschlafenen Nest, reges Treiben.
Viele Bauern und Bäuerinnen kommen zu Fuß, legen den kilometerlangen Marsch aus ihren Dörfern bereits am Vortag zurück. Die Blumen-Hmong gehören zur größten Volksgruppe rund um Bac Ha und hier auf dem Sonntagsmarkt stellen sie die Hälfte aller Händler. Aber auch Mitglieder der Dzao, Tay, Phu La, Tuyen und La Chi oder Lo Lo sind vertreten. Sie alle gehören zu den 53 ethnischen Minderheiten in Vietnam.
Die Luft ist kühl und klar. Gerade schiebt sich die Sonne gleißend über die Gipfel der Berge. Der Tag beginnt und auf dem Marktplatz sind bereits Obst und Gemüse zum Verkauf ausgebreitet. Der leise Duft von Ingwer und Chili hängt in der Luft. Daneben brutzelt es in den Garküchen. Würzige Fleischmasse wird mit Essstäbchen in ausgespülte Därme gedrückt. Ganze Schweinehälften und Köpfe ruhen auf hölzernen Tischen, Reiswein lagert in großen Kanistern, farbenfrohe, bestickte Stoffe schmücken die vielen indigenen Verkäuferinnen.
Die Blumen-Hmong von Bac Ha
Die zahlreich vertretenen Frauen der Blumen-Hmong machen den Markt in Bac Ha zu einem bunten Spektakel. Ihre reich verzierten Kleider, Röcke und Unterröcke strahlen in beinahe psychedelischen Farben und bilden einen starken Kontrast zum unansehnlichen Grau der nahen Betonbauten. Stickereien und Muster berichten aus dem Leben der Hmong, erzählen alte Legenden, zeigen spirituelle Praxis. Einst in wochenlanger Handarbeit als Einzelstücke gefertigt, werden die Stoffe heute vielfach industriell hergestellt, sind günstigere Kopien.
Der Sonntagsmarkt in Bac Ha ist eine der größten und farbenprächtigsten Veranstaltungen der Region. Sozialer Treffpunkt und kulturelles Miteinander, beinahe ein Festtag. Schon die Allerkleinsten sind auf den Rücken ihrer Mütter mit dabei. Unter der mittlerweile heißen Vormittagssonne wird um Wurzeln, Blätter, Farne und Früchte gefeilscht. Gelächter und Tratsch schwingt von einem Stand zum nächsten. Zwei Jungen spielen mit einer Schildkröte.
Am Vormittag versammeln sich in den Garküchen die Hungrigen. Hühnerfüße und Innereien liegen neben gekochtem Fett. Aus allen Ecken klingt wohliges Schlürfen. Man isst Phở, Nudelsuppe, das traditionelle Frühstück in Vietnam. Auch wir quetschen uns zwischen die Männer und Frauen auf eine niedrige Bank, klappern ein wenig mit den Essstäbchen und lassen es uns schmecken.
Dann treffen die Touristen ein. Tagesausflügler aus dem nahen Sapa. Nun befindet sich der Markt auf seinem Höhepunkt. In den engen Gassen geht es kaum noch vorwärts. In einer Ecke hocken ein paar Männer vor einem riesigen Berg Tabak. Jeder von ihnen hält ein Bambusrohr in der Hand – die typische vietnamesische Wasserpfeife. Sie formen ein wenig Tabak zu kleinen Kügelchen, entzünden sie in den Pfeifen und ziehen mit zwitscherndem Geräusch den Tabak in einem Zug durch.
Unter dem Dach der offenen Markthalle werden die traditionellen Stoffe der Bergvölker verkauft. Handtaschen, Schals, Kopfkissenbezüge, Tischdecken – sie alle zieren die Muster der einheimischen Ethnien. Vor der Markthalle prüft ein Alter mit ernstem Blick die Klinge einer Machete. Um ihn herum stapeln sich Haushaltsgegenstände, Kinderspielzeug, Werkzeuge; alles, was die Menschen hier zum Leben brauchen.
Der Sonntagsmarkt in Bac Ha gehört zu den spannendsten ethnischen Märkten in Vietnam, vielleicht sogar in ganz Südostasien. Für die einheimischen Volksgruppen ist es der wichtigste Tag der Woche. Erst am späten Nachmittag lichten sich die Reihen wieder. Die ersten Händler sind bereits auf dem Weg zurück in ihre Dörfer. Für eine Woche fällt Bac Ha zurück in den Schlaf, doch schon am nächsten Sonntag sind sie alle wieder hier.
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Aus dem hohen Norden Deutschlands hinaus in die Welt: 2011 zieht es Morten und Rochssare für zwei Jahre per Anhalter und mit Couchsurfing auf den südamerikanischen Kontinent. Genauso geht es nun weiter. Jetzt jedoch in die andere Richtung. Seit 2014 trampen die beiden auf dem Landweg von Deutschland nach Indien und weiter nach Südostasien. Es gibt noch viel zu entdecken.
Von ihren Abenteuern und Begegnungen erzählen sie in ihren Büchern „Per Anhalter durch Südamerika“ und „Per Anhalter nach Indien“, jeweils erschienen in der National Geographic Reihe bei Malik.